: Kampfsport
■ unter Wasser Poseidon Hamburg schafft Aufstieg in Zweite Wasserball-Bundesliga blääääähhh
Alexander Kluge zieht sich bedächtig eine zweite strahlend weiße Gummihose über den handelsüblichen Badeslip. Fürchtet der Mann eine Unterkühlung? Weniger. Es gilt, sich vor den Zugriffen beim engen Körperspiel unter der Wasseroberfläche zu schützen. Zugriffen von gegnerischen Händen, die schon so manche Badehose zerfetzten.
Die Sonne bescheint am Sonnabend nachmittag das Wasser im Eidelstedter Poseidon-Bad und den Rücken von Herrn Kluge, als er sich unter dem Kinn noch schnell eine Schleife aus den Bändern an den Enden seiner weißen Badehaube mit den körbchenförmigen luftgelöcherten Plastikohrenschützern bindet. Seine Mitspieler vom SC Aegir Uerdingen tun es ihm nach. Ein Schlag auf ein wassergefülltes Ohr bringt selbst das zäheste Trommelfell zum Platzen. Tja, hier rüstet man sich für – so die Fachliteratur – eine Kampfsportart, noch dazu eine der härtesten, die wir kennen. Kurz: es geht um Wasserball.
Das vom SV Poseidon Hamburg organisierte Naßturnier ermittelt erstmals die Aufsteiger in die im letzten Jahr neu eingerichtete zweite Bundesliga. Die vier Meister der Regionalligen und die Tabellenschlußlichter der beiden zweiten Ligen, erspielen in drei Tagen und 15 Begegnungen die vier Aufsteiger. „Die Zweitligisten Charlottenburg und Magdeburg enttäuschten mit ihren schlechten Leistungen“, erläutert Axel Becker, Schwimmwart des SV Poseidon, den Stand der feuchten Treibens. Vorallem für die 30 Fans aus Fulda unter dem 200köpfigen Anhang am Beckenrand scheint der Erfolg ihrer Aktiven besiegelt. Bestens organisiert mit scheppernden Druckerblechen, kurbelbetriebenen Holzrasseln und motorisierten Tuten auf Rädern (Diesel, Super bleifrei oder was ? die Red.) – Spezialanfertigungen, wie die Getreuen versichern – werden die Söhne, Freunde und Nachbarn angetrieben.
Gelegenheit für solch ekstatische Unterstützung bieten insbesondere die Anstöße zu den jeweils siebenminütigen Vierteln effektiven Spiels. Einer der beiden gänzlich in weiß gehaltenen Schiedsrichter läßt hierbei den gelben Ball, den die jeweils sechs Feldspieler von den Torlinien aus aufeinander zuschwimmend schnellstmöglich ergattern müssen, auf die Mittellinie platschen. Die Ballbesitzer müssen nun ihren Angriff innerhalb von 35 Sekunden beendet haben, sonst gibt es einen Freiwurf für die Gegner. Mulmig für den ballführenden Spieler ist die Tatsache, daß er angegriffen und dabei auch untergetaucht werden darf. Unantastbar macht er sich erst, wenn er nicht mehr im Ballbesitz ist.
Ein Zustand, der von den Gegenspielern nicht immer goutiert wird – Motto: Wasserball ist wie ein Eisberg, unter Wasser lauern die wirklich großen Überraschungen. Oft sind heftigst wogende Wassermassen zu sichten, in deren Zentrum zwei Männer fern vom Ball versuchen einander unterzudukern. Auf den Pfiff des Unparteiischen hin werden dann schlagartig beide Hände unschuldig flatternd wie zwei Tauben aus dem Wasser gestreckt, was nicht beweist, daß nichts los war: Wir erinnern uns an die doppelten Badehosen. Strafwürfe, Strafpunkte und Strafminuten jedenfalls ahnden derartige Kabbeleien.
Sanktionen drohten in der letzen Begegnung am Sonnabend, die Hamburger trafen auf den Charlottenburger SV, vorallem einem Mann am Beckenrand. Der auswärtige Trainer, Günter Vogel, hatte arge Schwierigkeiten in dem spannendsten Spiel seiner bisher gänzlich erfolglosen Truppe sein Wasser zum Kochen bringendes Temperament zu zügeln. Wild gestikulierend und brüllend sprang er auf und ab – ein auf internationalen Turnieren streng untersagtes Gebaren. Hamburgs Coach Wolfgang Wienefeld: „Normalerweise bin ich ja auch so, aber wir sind ja schon aufgestiegen, das macht mich ruhiger. Hier geht es eben nicht so langweilig zu wie beim Fußball.“
Selbstbewußtsein brauchen die Randsportler. Der 14:12- Erfolg über die Charlottenburger besiegelte den Ligawechsel der Hanseaten. Doch was, außer Ehre und erhöhter Reisekosten, hat man am Olloweg davon? Axel Becker : „Über bessere Trainingszeiten läßt sich jetzt natürlich besser verhandeln...“ Um an die Hamburger Erstligaerfolge in den siebziger Jahren anknüpfen zu können, ist Training jedoch im Übermaß vonnöten. C. Thomsen
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