Kampf um Billigfleischbremse: Bio-Essen dauert noch

Eine Petition in Bremen fordert, dass öffentliche Küchen ab 2023 kein Billigfleisch mehr ausgeben. Daraus wird nichts. Die Grünen loben sich trotzdem.

Qualfleischberge sollen aus öffentlichen Küchen in Bremen verbannt werden. Das dauert Foto: Christian Charisius/dpa

BREMEN taz | Die Forderung klingt erst einmal radikal: Alle Einrichtungen der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung in Bremen sollen bis Ende 2022 kein Billigfleisch mehr verabreichen, sondern nur noch solches Fleisch, das nach den Kriterien des ökologischen Landbaus oder eines „verbindlichen Tierwohllabels der höchsten Stufe“ erzeugt wurde. Das zu beschließen, verlangt eine Petition von der Bremischen Bürgerschaft, auch das Agrarpolitische Bündnis Bremen unterstützt das Anliegen.

„Ich verstehe die Ungeduld“, sagt der landwirtschafts- und ernährungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jan Saffe – seit Jahren einer der Vorkämpfer der bundesweit beachteten Billigfleischbremse in Bremen. Die Bürgerschaft habe das aber bereits beschlossen, „das ist längst passiert“, sagt er.

Schon 2018 hat der rot-grüne Senat einen „Aktionsplan 2025“ beschlossen, der vorsieht, die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung in Bremen „schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bioprodukte umzustellen“. Bremen war seinerzeit nach eigenen Angaben die erste Stadt mit einem solchen Beschluss. Das Essen in Schulen und Kitas soll demzufolge bis 2022 vollständig, das in den Kliniken bis 2024 zu 75 Prozent umgestellt sein, und zwar „aufwendungsneutral“ und unter „Bevorzugung regionaler Produkte“. So hat es die Stadtbürgerschaft schon 2016 entschieden. Für die Krankenhäuser wurde die Zielvorgabe später aber auf nur 20 Prozent Bio-Anteil reduziert, weil die Kliniken fürchteten, etwaige Zusatzkosten nicht tragen zu können.

Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag vom vergangenen Jahr wurde dann festgelegt, den Aktionsplan 2025 auch auf das Studierendenwerk, Krankenhäuser und Altenheime ausweiten. Zugleich wurde den Mensen versprochen, dass sie in die Lage versetzt würden, diese Standards auch realisieren zu können: „Mehrkosten können unter anderem durch einen reduzierten Anteil an Tierprodukten in den Mahlzeiten nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung reduziert werden, darüber hinaus gehende Mehrkosten werden aus dem Haushalt finanziert“, steht im Koalitionsvertrag.

Die Petition fordert, den Fleischkonsum in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung bis Ende 2022 um die Hälfte zu reduzieren, „auf höchstens zwei Fleischmahlzeiten pro Woche“ – um so die Mehrkosten für eine bessere Ernährung zu kompensieren. Zwar kennt die Petentin den Aktionsplan, moniert aber, dass er für Kliniken eingeschränkt wurde und es für Mensen von Hochschulen und der Uni bisher „keine Verpflichtungen“ gebe.

Sechs Millionen Euro Mehrkosten

Doch schon im März hat die Bürgerschaft mit den Stimmen der Koalition beschlossen, dass der Senat mit dem Studierendenwerk verhandeln soll, wie und wann sich der Aktionsplan auch auf die Mensen an den Hochschulen ausweiten lässt. Bei einer Umstellung auf 100 Prozent Bio bei täglich 12.000 Essen für die Hochschulen und die Uni kämen rund sechs Millionen Euro Mehrkosten zusammen, sagte Tim Cordßen (SPD), Staatsrat für Wissenschaft.

Auch Saffe wünscht sich, dass es mit der Umstellung auf Biokost schneller geht. Aber das sei „brutal schwierig“. Im Januar hat er beim Senat nachgefragt, wie weit die Umstellung des Aktionsplanes an den Kitas und Schulen denn nun gediehen sei. „In einer ganzen Reihe von Schulmensen werden die Vorgaben des Aktionsplanes schon fast oder sogar ganz erfüllt“, heißt es in der Anfrage.

Der Schulküchenverein etwa setzt an seinen elf Standorten „im Mittel circa 70 Prozent Bio um“, so der Senat. Derzeit werden die Küchen von zwölf Schulmensen neu ausgeschrieben – den Auftrag bekommt nur, wer sich an den Aktionsplan hält. In den Schulen variiert der Bio-Anteil laut Senat bei der Milch zwischen 46 und 100 Prozent, bei den tierischen Produkten zwischen 10 und 85 Prozent und bei Obst und Gemüse zwischen zehn und beinahe 100 Prozent.

In den Kitas gibt es nur noch Biomilch, nur bei der laktosefreien Milch ist das anders. Bei Obst und Gemüse könne das diesjährige Ziel von 40 Prozent Bio-Anteil „voraussichtlich erreicht werden“, Fleisch hingegen werde in den Kitas „seltener in Bioqualität angeboten“, weil das „mindestens dreifach teurer“ sei, 1,50 Euro pro Essen für Bioprodukte nicht ausreiche.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.