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Archiv-Artikel

Kampf mit der Vergangenheit

Andrej Smirnow hat seiner Elterngeneration nachgespürt: Das Metropolis zeigt den Film „Belorussischer Bahnhof“

„Grüß dich Aljoscha.“ „Grüß dich Wanja.“ Vier Männer Mitte fünfzig umarmen sich zur Begrüßung auf einem Moskauer Friedhof. Beim Reden brechen ihre Sätze nach der Hälfte ab, die Männer schweigen sich an. Ein Vierteljahrhundert haben sie sich nicht gesehen, aber nun, 1970, bei der Beerdigung eines Freundes, treffen sie sich wieder. Sie kennen sich von der Roten Armee, haben in einem Batallion gegen die Deutschen gekämpft.

Filmregisseur Andrej Smirnow, selbst erst im Jahr des deutschen Einmarsches in der Sowjetunion geboren, hat 1970 den Spielfilm Belorussischer Bahnhof, gedreht. „Wir haben einen Film gedreht über die Generation, die den Krieg gewonnen hat. Wir wollten uns diese Menschen ganz genau ansehen und begreifen, was ihnen über die Härten des Krieges hinweggeholfen und sie zum Sieg geführt hat. Es ist ein Film über unsere Eltern“, sagt Smirnow.

Störend allerdings ist, dass der Film die Mär reproduziert, dass in der Roten Armee die Männer gekämpft hätten, während die Frauen im Hinterland warteten. So ist es weitgehend ein Film über die Väter, und erst im letzten Teil spielt die Sanitäterin Raja eine wichtige Rolle, als die Männer zueinander finden und gemeinsam trauern.

Nach und nach wird deutlich, welche Probleme die vier Männer in ihren Berufen haben – als Schlosser, Kombinatsleiter, Buchhalter oder Journalist: „Ich komm nicht mehr mit, was erlaubt ist und was nicht. Da wird Eigeninitiative gefordert, aber morgen kann das schon wieder bestraft werden“, sagt der Buchhalter Nikolai: „Ich sehne mich nach einem Dienst in der Armee.“ Wo alles klar sei und er nur auf den Kommandanten zu hören brauche. Während er das sagt, sitzen die vier in einem Lokal voller junger Leute, die zu einer Liveband tanzen, die wie eine Art russische Beatles klingt. Aber nur Stunden später, als es darum geht, für den Transport eines Verletzten ein Auto zu bekommen, wird Nikolai selbst initiativ und hält sich auch nicht ans Gesetz: Den jungen Mann, der sich weigert, sein Auto für den Notfall zur Verfügung zu stellen, streckt er mit einem Schlag nieder.

Die vier Kriegsveteranen landen daraufhin in einer Zelle der Miliz. Nun reden sie in ganzen Sätzen miteinander, über sich, über Kriegserlebnisse. Am Schluss des Films ist deutlich, wie sehr der Krieg sie geprägt hat. Die Veteranen der Roten Armee bilden dabei einen starken Kontrast zur deutschen Landserromantik und der Kameraderie der ehemaligen Wehrmachtssoldaten. Denn ihr Krieg war die Verteidigung gegen den Überfall auf die Sowjetunion. Sie singen ihr altes Lied und weinen: „Lasst uns die schwarzen Wolken bannen, dass unsere Erde nicht mehr bebt. Die Nacht will uns verschlingen, doch wir verzweifeln nicht. Gemeinsam werden wir den Tod bezwingen, der Tag erwacht zu neuem Morgenlicht.“ Als sie einschlafen, werden Dokumentaraufnahmen vom Belorussischen Bahnhof im Westen Moskaus gezeigt. Sie spielen im Mai 1945, als die Heimkehrer von der Front dort ankamen.

Gaston Kirsche

Mo., 23.5., 21.15 Uhr sowie Do., 26.5., 17 Uhr, Metropolis