Kampf gegen umweltschädliche Überdüngung: Bundesrat stoppt neues Düngegesetz
Die Ampel will verhindern, dass Bauern auch künftig zu viel düngen und so das Grundwasser verschmutzen. Doch ihr Gesetz dazu blockiert der Bundesrat.
Dabei hatten die Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft noch am Donnerstagabend einen alarmierenden Bericht zur Belastung von Gewässern mit der Stickstoffverbindung Nitrat durch die Agrarbranche veröffentlicht. Demnach wurde 2020 bis 2022 der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser an 25,6 Prozent der Messstellen des EU-Nitratmessnetzes überschritten. Das ist nur rund 1 Prozentpunkt weniger als von 2016 bis 2018.
Hauptursache ist, dass Landwirte im Schnitt Wissenschaftlern zufolge trotz deutlicher Verbesserungen immer noch pro Jahr und Hektar rund 80 Kilogramm Stickstoff etwa in Gülle oder Mineraldünger mehr ausbringen, als ihre Pflanzen aufnehmen. Dieser Überschuss an Pflanzennährstoff schadet Klima, Grundwasser und Artenvielfalt. Die deutschen Küstengewässer verfehlten dem Bericht zufolge erneut den „guten ökologischen Zustand“, vor allem durch zu viel Phosphor, der ebenfalls als Düngemittel genutzt wird.
Die Behörden haben wegen der hohen Nitratwerte einen großen Teil der Agrarfläche zu „Roten Gebieten“ erklärt. Dort müssen alle Höfe pauschal weniger düngen, um die Nitratemissionen zu reduzieren. Das kann ihre Ernten schmälern, und Tierhalter können nicht mehr so viel Gülle auf den Feldern als Dünger entsorgen.
Keine Entlastung für „gute“ Höfe möglich
Das neue Düngegesetz sollte der Überdüngung entgegenwirken, indem es mehr Landwirte als bisher zur Erstellung einer Stoffstrombilanz verpflichtet. Darin müssen sie errechnen, wieviel Pflanzennährstoffe wie Stickstoff sie in die Umwelt abgeben. Zu hohe Überschüsse könnten nach entsprechenden Gesetzesänderungen sanktioniert werden.
Außerdem sollte das Düngegesetz den Bund ermächtigen, eine Verordnung für ein „Monitoring“ der Nitratsituation in ganz Deutschland zu erlassen. Damit könnten die Behörden etwa Emissionsdaten aus verschiedenen Quellen zusammenführen. So ein Monitoring war eine Bedingung der EU-Kommission, weshalb sie das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie im Juni 2023 eingestellt hat. Erst wenn es das Monitoring gibt, sollten die Ministerien nach eigenen Angaben mit Brüssel über Ausnahmen von den Auflagen in den „Roten Gebieten“ verhandeln können.
Dagegen hat der Bauernverband nichts. Stattdessen bekämpft er die Stoffstrombilanz für einzelne Höfe, weil sie für die Landwirte zusätzliche Bürokratie, aber keinen Fortschritt für die Umwelt bringen würde. Genau diese Argumente trugen im Bundesrat auch die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Hessen vor, Dietmar Woidke (SPD) und Boris Rhein (CDU). Rhein sprach sogar von einem „Bürokratiemonster“. Sie führten aber nicht aus, weshalb die Stoffstrombilanz sinnlos sei. Düngeexperten wie der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube plädieren seit Jahren für so eine Nährstoffbilanz, allerdings müsse sie noch wie von den Ministerien zugesagt verbessert werden.
„Bürokratiemonster“ frisst 5 Arbeitsstunden pro Jahr
Der bürokratische Aufwand für die Bauern ist überschaubar. Als der Bundestag 2017 die Verordnung zur Stoffstrombilanz diskutierte, schrieb der Nationale Normenkontrollrat: „Für die Wirtschaft entsteht durch das Regelungsvorhaben ein zusätzlicher jährlicher Aufwand von insgesamt 15,5 Mio. Euro“. Das sind bei rund 162.000 betroffenen Betrieben im Schnitt nur 123 Euro. Dafür müssten die Unternehmen 4,8 bis 5,3 Stunden aufwenden – pro Jahr.
Worum geht es dem Bauernverband also in Wirklichkeit? „Der Bauernverband will nicht, dass man künftig erkennen kann, wer das Problem der Überdüngung verursacht“, sagte ein Insider aus dem Bundesrat der taz. Denn dann könnten solche Betriebe bestraft werden, zum Beispiel durch Bußgelder.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zeigte sich nach der Abstimmung enttäuscht: „Durch die Düngegesetz-Blockade im Bundesrat bleibt der Weg zu mehr Verursachergerechtigkeit weiter verbaut“, sagte der Grünen-Politiker. Schlimmstenfalls drohe auch noch ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel. Nun können Bundesrat, -tag oder -regierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Bis zu einer Einigung dort würden aber wohl Monate vergehen. Unionsvertreter könnten die Verhandlungen nutzen, um die Stoffstrombilanz zu kippen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen