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Kampf gegen das ÜbergewichtSport bringt weniger als gedacht

Eine neue US-Studie identifiziert eine ausgewogene Ernährung als Mittel gegen Übergewicht – und viel wichtiger als Sport. Auch Alkohol und Tabak spielen eine Rolle.

Zum Abnehmen bringt Sport wohl weniger als gedacht. Aber es gibt ja zum Glück noch andere Gründe, Sport zu treiben. Bild: Alejandro Lopez | CC-BY-SA

BERLIN taz | Essgewohnheiten entscheiden wesentlich stärker über das Gewicht als körperliche Aktivität. Zu diesem Ergebnis kommen US-Wissenschaftler, die Daten von 120.000 Amerikanern aus 20 Jahren ausgewertet haben. Die Forscher der Harvard Medical School schränken damit das klassische Credo vom "weniger essen, mehr bewegen" ein.

Eine ausgewogene Ernährung mit Gemüse statt Kartoffelchips hilft der Gesundheit demnach mehr als ein Besuch im Fitnessstudio. Bewegung ist trotzdem wichtig – allerdings in deutlich geringerem Maße. Auch Alkohol- und Tabakkonsum sowie Schlafdauer spielen eine große Rolle.

Christiane Groß von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch überraschen diese Ergebnisse nicht: Andere Untersuchungen rückten ebenfalls die Kalorienzufuhr in den Vordergrund. Sie kritisiert die Werbebotschaften der Lebensmittelindustrie: "Solche Studien zeigen, wie absurd die Ausreden der Hersteller sind, wenn sie auf Bewegung verweisen und gleichzeitig hochkalorische Produkte als ,leicht' und ,sportlich' bewerben. Eine solche Werbung, in der häufig Sportler vorkommen und Kinder durch Sammelbilder angesprochen werden, ist irreführend", so Groß. Foodwatch fordert daher verbindliche Nährwertangaben auf Verpackungen durch Ampelfarben. Diese hat das EU-Parlament letztes Jahr allerdings abgelehnt.

Ernährunglobby spricht vom "aufgeklärten Verbraucher"

Die Ernährungsindustrie zweifelt derweil die Ergebnisse der Studie an. "Man kann nicht sagen, dass das eine wichtiger ist als das andere", sagte Andrea Moritz von der Lobby-Organisation Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Es sei ein fatales Signal, wenn die Bedeutung der Bewegung heruntergespielt werde. "Die Bilanz der Kalorienaufnahme und -abgabe muss stimmen", so Moritz. Eine deutlichere Kennzeichnung auf Verpackungen lehnt sie ab: "Man sollte an den aufgeklärten Verbraucher glauben."

Doch Volker Schusdziarra von der Technischen Universität München hält das nicht für ausreichend. "Der Verbraucher hat keine Ahnung von dem, was da draufsteht", sagte der Ernährungsmediziner. Vor allem die Energiedichte, also der Brennwert, sollte seiner Meinung nach angegeben werden, gerne auch als Ampel. "Damit könnte man die Augenwischerei beenden", so Schusdziarra. Zwar zeige die US-Studie nur statistische Zusammenhänge, dennoch halte auch er die Kalorienzufuhr für entscheidend. "Bewegung ist auch beim Abnehmen nur der Juniorpartner der Ernährung."

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10 Kommentare

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  • FN
    Floda Nashir

    Das sollte ohnehin jedem denkenden Menschen klar sein, dass das Körpergewicht vor allem von der Energiebilanz abhängt: mehr Zufuhr als Abbau macht fett. Und der Unterschied zwischen Normallast (im Sessel sitzen) und Hochlast (Sport treiben) ist doch deutlich geringer als man so denkt. Logischerweise bringt also Sport zwar viel für Fitness und Muskelaufbau, aber nur recht wenig zum Abnehmen. Da hilft vor allem weniger essen. So einfach ist das, wenn man nicht mit dem esoterischen, sondern mit dem technischen Auge drauf blickt.

  • AS
    Andreas Suttor

    Wieder eine dieser völlig sinnlosen Studien, die sich auf statistische Auswertungen stützen. Nach dem Motto: esst gesünder und weniger, dann müßt ihr euch nicht bewegen. Die Botschaft ist fatal, dabei ist die Sache so einfach: Jeder kann seinen Kalorienverbrauch berechnen, und dann muß man eben weniger oder gleichviel zu sich nehmen. Sport hilft natürlich - denn er erhöht den Kalorienverbrauch erheblich.

  • T
    T.V.

    ...und ich dachte immer, die sagen nur die Wahrheit in der Werbung *schnief*

  • R
    Rene

    Stimmt. Sport ist gesund, aber zum Abnehmen taugt er nix. Im Gegenteil beruhigt er das Gewissen, wenn man danach dem Hunger nachgibt.

     

    Aber ich bezweifle obendrein, dass eine einfache Energiedichte-Ampel was bringen würde. So mag ein 100g-Würstchen energiedichter als eine Cola mit 200g Zucker sein (wegen der Fette), aber es macht satt. Ob es wohl sowas wie eine Sättingsampel geben könnte?

  • SM
    Sandra Müller

    Wenn das nicht so ist frage ich mich wieso mein Vater das dreifache an Kalorien zu sich nehmen kann als ich und als früher bevor er wirklich regelmäßig Sport machte.

    Sicher hat die Ernährung viel zu sagen, genauso auch wie der Stoffwechsel etc., die Mischung macht´s.

     

    Und natürlich sollte die Industrie endlich Verantwortung übernehmen, aber jetzt dem Sport so eine geringe Bedeutung beizumessen ist völliger Quatsch.

    Das Problem ist bei vielen, dass sie mit Sport beginnen, aber irgendwann aufgeben, dabei braucht der Körper mindestens ein Jahr um sich wirklich richtig umzustellen.

    Mal ein halbes Jahr Sport machen bedeutet nicht, dass man unbedingt viel mehr essen kann, wer aber länger und regelmäßig immer weiter Sport macht wird merken, dass er mit der Zeit auch mehr essen "kann", ja sogar muss.

    Dass man deshalb nicht 5 Pizzen am Tag verdrücken sollte dürfte eigentlich klar sein, sagt aber nichts über die Effektivität von Sport aus.

    Zudem bringt dieser in Verbindung mit einer guten Ernährung ein völlig anderes Lebensgefühl auf das man nicht verzichten sollte.

     

    Sehr einseitiger Bericht, so einsetig wie viele andere Berichte.

  • F
    foobar

    Um welche Studie geht es bitte?

    Quellenangaben machen sich immer gut. Hat irgendeine Forschergruppe neulich herausgefunden …

  • A
    Anita

    der aufgeklärten Verbraucher...

    Neulich hat meine Mutter Joghurt für mein 1jähriges Kind mitgebracht, laut Zutatenliste war da mehr Zucker als in den Standard-Erwachsenen-Joghurts.

    Als ich meiner Mutter sagte, dass das Zeug nix taugt und die "normalen" Joghurts besser seien, meinte sie: "Aber die sind doch extra für Kinder?"

  • T
    TheK

    Wirklich neu ist die Erkenntnis nicht. Natürlich lässt sich das Gewicht *auch* durch ein Mehr an Bewegung reduzieren; dieser Effekt ist aber bei weitem nicht so gigantisch, wie es gerne dargestellt wird.

     

    Wenn man eine Stunde Sport treibt (und zwar an der eigenen Belastungsgrenze!), hat man in dieser Stunde (!) einen in etwa verdoppelten Energiebedarf. Danach ist der gleich wieder auf normal. Erst wenn man sich so viel zusätzlich bewegt, dass dadurch der Muskelaufbau gefördert wird, kommt hier noch ein (minimal) erhöhter Grundumsatz dazu.

  • K
    Klaus

    Wie wäre es, wenn in solchen Artikeln die Studie, auf die man sich bezieht, verlinkt wird? Oder wenn das Journal oder der Titel der Studie oder der Hauptautor genannt wird? *kopfschüttel*

  • E
    Efes

    "Sport bringt weniger als gedacht"

     

    Nun, was hat man denn gedacht, was Sport bringt?

     

    100g Gramm Schoko = 500-600kcal

     

    1 Stunde Joggen (10kmh) = 600-800kcal

     

    Bringt doch eine Menge, der Sport, oder?