piwik no script img

Kameras mit Direktlink zur "Bild"-ZeitungVoyeure unter sich

Lidl verkauft jetzt Camcorder, mit deren Hilfe "Bild"-Leserreporter ihre Filme per Knopfdruck direkt in die Springer-Redaktion senden können. Gibt es jetzt noch mehr Spanner?

Spanner, Hobbyjournalist oder seriöser Berichterstatter? Bild: dpa

Erst bespitzelte Lidl seine Mitarbeiter - jetzt hilft der Discounter der Bild-Zeitung bei Bespitzelung aller anderen. Ab heute gibt es in 3.000 Filialen den Camcorder "Creative Vado", der per Knopfdruck Videos in die Boulevard-Redaktion senden kann. Der Preis der Kamera für den Paparazzi von morgen: 69,99 Euro.

Der Lebensmittelanbieter und die Postille werben fleißig mit dem günstigen Angebot: "Vergleichbare Geräte kosten ca. 100 Euro im Handel", heißt es in der Pressemitteilung. Doch tatsächlich ist die Unabhängigkeit von der Bild viel günstiger: Im Internet ist das Gerät bereits für 78,98 Euro erhältlich - ohne Software für die Direktschalte ins Axel-Springer-Haus.

"Die Kamera hat vier Knöpfe. Sie macht es kinderleicht, Leser-Reporter zu werden", sagt Thomas Fröhlich, Sprecher der Bild. Was für die Zeitung ein Verkaufsargument ist, ist für Lidl ein Grund, sich zu verteidigen. "Der Umgang und die Verwendung mit diesem Produkt liegen allein beim Kunden", sagt Simone Hartmann. Der Camcorder sei für den Discounter nur "ein attraktives Angebot vor Weihnachten". Im März waren Lidl Überwachungskameras noch zum Verhängnis geworden, nun sollen sie das Feiertagsgeschäft retten.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) findet die Aktion bedenklich. "Laien kennen keinen Medienkodex. Wenn sie sich nicht benehmen, muss demnächst ein Journalist draußen bleiben", erklärt Hendrik Zörner. Der Bild ist das egal. Dort wird beraten, wie Hobbyjournalismus noch gefördert werden kann. "Für die Reporter ist ein Anreiz geplant." Was das sein soll, verrät Fröhlich nicht. Vielleicht die 8,99 Euro, die zur Bild-freien Kamera gefehlt hätten?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • M
    micha

    erschreckend is das schon lang nicht mehr. man sollte eher überlegen, wie man solche auswüchse ad absurdum führen kann.

    irgendwer muss sich den mist doch in der redaktion anschauen und ausmisten.

    also hilft da nur das videoprogramm kopieren, sich viele verschiedene ids zulegen und bild täglich mit unmengen an sinnlosen videos zumüllen. zum beispiel die katze in der kiste, oder der wellensittich, der piept oder qualmende schornsteine oder weis der geier was.

    hauptsache nichts, womit bild was anfangen kann.

     

    konsequent durchgezogen bedeutet das mehr arbeit für bild, mehr leute, die selektieren müssen, mehr rechnerkapazitäten und mehr ausgaben....

     

    wünsche noch nen schönen unbeobachteten tag

     

    micha

  • MF
    Mr. Füsch

    Big Brother is (watching) you.

     

    Überwachung zum Zeitverteib. Hmmm, ist das geil. Schon erstaunlich, wie sehr die Menschen um die gegenseitige Bloßstellung betteln. Bei derartigen Hervorbringungen sollten wir nicht mehr vom Überwachungsstaat sprechen, wenn es eigentlich um eine Überwachungsgesellschaft geht, die richtig viel Spass daran hat.

     

    Zum Kotzen.

  • A
    außenlektor

    ""Der Umgang und die Verwendung mit diesem Produkt liegen allein beim Kunden", sagt Simone Hartmann."

     

    wenn schon, dann:

    "Die Verantwortung für den Umgang mit diesem Produkt und seine Verwendung liegen allein beim Kunden", sagt Simone Hartmann."

     

    und ja, das Gerät wird einen Haufen von kleinen Stasis züchten, daß die BILD jemals einen Bericht zustandebringt, bei dem die Frage auftaucht, wie lange sich dieser Staat den hiesigen Rüstungsetat leisten kann - und wieviele Kürzungen im sozialen Sektor der Einwohner dafür hinzunehmen bereit ist... mit einem solchen Beitrag ist nunmal nicht zu rechnen. Die kleinen neuen IM´s werden also am ende schön verarscht dastehen, wahrscheinlich sogar hoffen, daß ihre Berichte hier und dort ein wenig Kleinkohle ranziehen, Taschengeld zwischendurch. Der einzige, der von der umsonst-Mitarbeit, dem freiwilligen prekarisierten Kleinspitzeltum profitieren wird, ist Mr. Springer und Mr. Zuarbeiter bei Gerichtsprozessen

    - z.b. diesem hier -

    http://www.jungewelt.de/2008/12-01/010.php

  • W
    wespe

    Deutschland ist (im) Bild! *ho-ho*

    Uns bleibt nichts erspart. Es gibt schon jede Menge Freizeit-Reporter, die mit ihren Handy-Aufnahmen die Internet-Blogs malträtieren.

    "Recht auf eigenes Bild?" -- Dann werden sich auch die Anwälte freuen. Und wir werden dann alle vermummt herumlaufen, damit unser Gesicht und unser Sozialverhalten nicht der gesamten Welt vorgesetzt werden.

    Schöne, neue Welt...

  • P
    PerditaDolorosa

    Nicht nur Big Brother is watching... die größte Plage waren schon immer die kleinen Mitläufer, die sich in den Rosetten der Systeme suhlen oder sich fröhlich Überwachungskameras zu Weihnachten schenken. Aaargh mein armer Kopp - Gegen Bild sollte wirklich mal was getan werden - sonst verblöden die noch mehr meiner Mitmenschen. Hilfe Hilfe wo bleibt die Volxfürsorge!

  • M
    mueller

    „Nein, ich bin nicht gekommen. Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht." (Bild-Kampagne)

     

    Bis es einem gewiss wird, dass man auf einige Nachrichten auch verzichten kann...

    Wenn der moderner "Journalismus" die Erwartungshaltung seiner Leser bedient, macht er sich defacto obsolet und ist so nur noch "gewöhnliche" Literatur. (inspiriert von Wiki)

    Wenn der Wahrheitsgehalt zur Fiktion degradiert wird, so ist auch die immanente Meinung dieser Wahrheit (Bild dir deine Meinung) ein Angriff auf das "freie" Individuum. >>>>Was nützen also 3000 Spanner?

  • V
    vic

    Hier sollte Staatsschutz-Schäuble einschreiten, das gefährdet die öffentliche Sicherheit.

    Und wer´s noch nicht getan hat, sollte Lidl spätestens jetzt von seiner Einkaufsliste streichen.

    Aber eigentlich glaube ich, gerade Dreck dieser Art verkauft sich in diesem Land gut.

  • GV
    Geoerg Vogelgsang

    Einfach nur empörend! Ich ziehe meine Konsequenzen: Lidl und BILD sollten wegen Menschenverachtung boykottiert und verklagt werden! Würden sie bitte die Kampagne dazu anstossen?!!