: Kalte Dusche in der Klapsmühle
■ Nachdem sich das Kabarett „Dusche“ der Mannheimer Kleinkunstbühne „Klapsmühl“ des Mannemer SPD–Sumpfes angenommen hat, haben die Sozialdemokraten zurückgeschlagen: 102.000 Mark Finanzzuschüsse werden nicht bezahlt
Aus Mannheim Felix Kurz
Das Telefon klingelt. „Amt für öffentliche Ährenrettung, Rathaus Mannem, Hase.“ Gleich erklärt der Beamte Hase dem Publikum im Mannheimer Kleinkunsttheater „Klapsmühl“, warum jetzt ein solches Amt für die Stadt so dringend vonnöten ist. Immerhin habe es ja nicht nur den früheren Leiter des städtischen Liegenschaftsamtes erwischt, der seit einiger Zeit in Untersuchungshaft sitzt, sondern auch noch ein paar andere. Nicht einmal der Oberbürgermeister Gerhard Widder konnte da helfen, und das, obwohl er sich öffentlich vor seinen Beamten gestellt hatte. Es ging um undurchsichtige Grundstücksgeschäfte, „von denen ganz Mannem spricht“. Hase erzählt weiter. „Im Gemeinderat singen die ja auch Brüder zur Sonne, zur Freizeit“ und ballen dabei die Faust in der Tasche: „Ballen Sie mal die Faust, wenn Sie die Finger überall drin haben.“ Klaus–Jürgen Hoffmann vom Mannheimer Kabarett „Dusche“, dem ständigen Ensemble der Klapsmühl, spielt den Beamten Hase gern. Seit knapp zehn Jahren nimmt der kritische Künstler mit seinem Ensemble auch kommunale Skandale und Spezialitäten aufs kabarettistische Korn. Von der städtischen Prominenz kommt da kaum einer ungeschoren davon. Unbequeme, peinliche Fragen nach der Finanzierung des letzten Wahlkampfs um den Posten des Oberbürgermeisters oder nach zahlreichen dubiosen Grundstücksschiebereien - für die sich mittlerweile ein ganzer Stab von Staatsanwälten interessiert - finden in der Industriestadt, die seit Jahrzehnten von der SPD regiert wird, kaum Gegenliebe und schon gar kein Verständnis. Der stellvertretende SPD– Fraktionschef im Gemeinderat und Daimler–Benz–Betriebsrat, Karl Feuerstein, schickte die ihm zugesandten Freikarten mit einem bösen Begleitschreiben zurück. Von ihm könne das Ensemble keinerlei Unterstützung erwarten. „Ich sehe keine Veranlassung, mich für die Dusche einzusetzen“, sagt er. Feuerstein kommt selbstverständlich auch in einer Kabarett–Produktion vor. Dage gen habe er ja nichts einzuwenden, „aber was die Dusche betreibt, geht unter die Gürtellinie“, denn es sei „nichts bewiesen“. Ganz anders sieht es Roland Hartung, Rechtsanwalt und CDU– Fraktionschef. „Viele Fragen sind ja durch die Verfahren schon beantwortet.“ Er kann sich nicht vorstellen, daß seine Fraktion gegen eine Unterstützung der „Dusche“ ist. Den Amoklauf mancher SPD–Kollegen erklärt er sich so: „Derjenige, der druff kriegt, ist immer sauer.“ Und Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD)? Ist auch sauer. Der sagte kürzlich ein Gespräch mit dem künstlerischen Leiter der „Klapsmühl“, Klaus– Jürgen Hoffmann, zwei Tage vor dem vereinbarten Termin höchstpersönlich telefonisch wieder ab. Widders Zorn resultierte diesmal aus einer ganz besonderen „Klapsmühl“–Produktion: eine Postkarten–Aktion an die Privatadresse des OB, mit der die Absender (unter anderem die Schriftstellerin und Schillerpreisträgerin Leonie Ossowski und der Direktor des Mannheimer Nationaltheaters, Jürgen Bosse) ihn aufforderten, dem Kleinkunsttheater endlich die lebensnotwendigen Subventionen zu bewilligen. Motto der Postkarten–Aktion: „LOBBY SCHAFFEN - wir sind alle reif für die Klapsmühl“. 102.000 DM beantragte die „Klapsmühl“ aus dem Stadtsäckel für 1987. Diesen Betrag hat die Kulturamtsleiterin in Mannheim errechnet. Das fünfköpfige Ensemble, zu dem noch Hausmeister und Techniker kommen, benötigt das Geld dringend: „Gemessen an der Zahl der festen Mitarbeiter und an der ständigen ungünstigen finanziellen Situation des Theaters ist die Zahl von 17 Eigenproduktionen sehr hoch.“ So steht es in einem nicht–öffentlichen „Bericht über die Situation der privaten Kleintheater in Mannheim“ (Vorlage–Nr. 265/86), den der OB erstellen ließ. Knappp 280 Spieltage pro Jahr und rund 17.000 Besucher sprechen deutliche Worte. Helen Vita, Gerhart Polt, Georg Kreissler, Evelyn Künneke, Werner Schneyder und viele andere gastieren gerne in der „Klapsmühl“, die gerade 130 Zuschau ern Platz bietet. Mit den Preisen zwischen zwölf und 22 Mark kommt man nur hin, wenn es ausgesprochen gut läuft. Das Piano bricht fast zusammen, die Tonanlage ist verschlissen und muß erneuert werden, und bei der Stromrechnung wartet Wolfgang Schmitter, Geschäftsführer und Kabarettist in Personalunion, schon routinemäßig auf die dritte Mahnung: „Da bekommt man schon argen Bammel.“ Die städtische Vorlage bescheinigt dem Ensemble, daß „sparsam gewirtschaftet“. Die „Gagen, die verdient werden können“, sind so hoch wie die Beträge, „die in etwa den Einkünften aus der Sozialhilfe entsprechen (Sachleistungen mit eingerechnet)“. Der Aufbau einer Altersversorgung ist aus solchen „Minigagen“ nicht möglich, und die tägliche Lebensführung liegt „am untersten Existenzminimum“. Zu all dem schleppen die Schauspieler noch einen gewaltigen Schuldenberg vor sich her. „Man weiß nie, was in zwei Monaten ist“, meint Wolfgang Schmitter. Vor allem eine akzeptable Altersversorgung und die unverzichtbaren Investitionskosten bereiten dem Geschäftsführer Kopfzerbrechen. Hier wittern die SPD–Stadträte ihre Chance. Es soll keinen neuen Posten für das unbequeme Kabarett im neuen Doppeletat der Stadt geben. Ganz anders sieht es das Land Baden– Württemberg. Bereits im Dezember teilte man den Künstlern mit, daß man ihnen 51.000 DM jährlich zuschießen werde. Zwingende Voraussetzung ist allerdings, daß die Stadt Mannheim den doppelten Betrag bereitstellt. So steht es in den Förderrichtlinien für Kleinkunsttheater des Landes. Im Entwurf des neuen Haushalts der Stadt findet sich auf Anordnung des OB kein Extra–Titel für die „Klapsmühl“. Lediglich 35.600 DM sind in der Haushaltsstelle 3400, Untertitel Mannheimer Kleinkunstforum „Klapsmühl“ angesetzt. Doch dieser Betrag ist nur eine haushaltstechnische Verrechnungsgröße, die für die mietfreie Überlassung der Räume für die „Dusche“ steht. Die guten Kritiken, die das Mannheimer Kabarett oft bekommt - 1981 erhielt man sogar den Kleinkunstpreis des Landes Baden– Württemberg -, interessieren in Mannheim nicht.
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