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Press-SchlagKalle, überfremdet

■ Bosman rumort in Rummenigges Kopf

Ob Karl-Heinz Rummenigge nach diesem Spieltag zufrieden Bilanz gezogen hat? Konnte er doch konstatieren, daß zehn von elf Treffern in den verbliebenen drei Spielen von deutschen Profis erzielt worden sind. Allein der Pole Peter Nowak von München 1860 schummelte sich dazwischen. Vielleicht müßte man aber auch den Karlsruher Sean Dundee nennen, der Rummenigges Bayern immerhin zwei Tore verpaßte. Dundee hat nämlich einen südafrikanischen Paß und hätte beinahe im dortigen Nationalteam gegen Deutschland debütiert. Hat er dann aber nicht und hofft nun darauf, bald im Team von Berti Vogts aufzulaufen. Rechneten wir ihn aber dem Lager der ausländischen Profis zu, wären mehr als ein Viertel aller Tore von Ausländern geschossen worden.

Die Vorlage für derlei verdrehte Rechnereien hat dieser Tage Karl-Heinz Rummenigge im Kicker gegeben. Er spekulierte dort über den Fußball nach dem Bosman-Urteil und warnte – man glaubt es kaum – vor der „Überfremdung“ der Bundesliga. Wörtlich meinte der Vizepräsident des FC Bayern München: „Deshalb meine große Warnung vor der Überfremdung der Liga, weil wichtige Spieler ins Ausland gehen werden.“ Das ist ein etwas krauser und unlogischer Satz, was uns nicht wundert, erinnern wir uns doch an Rummenigge als gefürchteten Co-Kommentator im Fernsehen („Der Schuß war lebensgefährlich“).

Auch als sogenannter „Sportchef“ in München verblüfft er nicht eben durch mitreißende Visionen, so daß man seine Wortmeldung als soundsovielte Einlassung zum Thema „Bosman“ eigentlich hätte zu den Akten legen können. Wäre da nicht dieses Gruselwort aus dem Vokabular der Volksverhetzer und Brandstifter aufgetaucht. Nun hat Karl-Heinz Rummenigge ansonsten bislang keinen Anlaß gegeben, ihn als Rassisten, Nazi oder Fremdenfeind zu verdächtigen. Deshalb kann man Kalles „Überfremdung“ wohl genauso als dummes Gequatsche klassifizieren wie eine ähnliche Wortmeldung von Liga-Direktor Wilfried Straub. Dieser, immerhin einer der hochrangigsten Berufsfunktionäre des DFB, warnte vor drei Wochen im gleichen Zusammenhang vor der „Überfremdung der Mannschaften“.

Diese Stimmen bleiben hoffentlich die Ausfälle, als die sie erscheinen. Eine große Mehrheit von Spielern, Trainern und Funktionären hat sich längst der Ansicht von Jürgen Klinsmann angeschlossen, daß demnächst auch kein Unterschied mehr zwischen einem EU-Ausländer und anderen Ausländern gemacht werden sollte. Sollte der Fußball einen schwedischen und einen afrikanischen Profi, einen Holländer und einen Russen wirklich gleich behandeln, wäre er der Politik weit voraus. Christoph Biermann

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