: Kali-Kumpel in Bedrängnis
Im Jahr 1990 wurde die Kali-Industrie der Ex-DDR mit einem Salto mortale auf den krisengeschüttelten Weltkalimarkt geworfen/ Absatzflaute und Folgen der Planwirtschaft brachten Nachteile ■ Von Cornelia Behlert
Bad Salzungen. Eine schwache Nachfrage, insbesondere durch den stark gesunkenen Kaliverbrauch in Osteuropa, kennzeichneten in den vergangenen Monaten die Lage auf dem internationalen Kalimarkt. Sowjetische Lieferungen zu Dumpingpreisen und der stark gefallene US- Dollarkurs brachten westeuropäischen Kali-Produzenten zusätzliche Nachteile.
Im turbulenten Jahr 1990 wurde die Kali-Industrie der ehemaligen DDR mit einem Salto mortale auf den krisengeschüttelten Weltkalimarkt geworfen. Die Kali-Industrie im Werra-Tal, einst einer der größten Kalidünger-Produzenten im Osten, bekam zur Absatzflaute zusätzlich noch die Folgen der DDR-Planwirtschaft hart zu spüren. Bis 1989 zählte der Südthüringer Kalibetrieb etwa 8.000 Beschäftigte, heute sind noch etwa 4.500.
„Viele Jahre wurde in den ostdeutschen Kalischächten die Rationalisierung vernachlässigt, Maschinen und Anlagen auf Verschleiß gefahren“, schildert Vorstandsmitglied der Kali-Werra AG, Erhard Kreutzmann, gegenüber 'adn‘ die Situation. Dies ist dem Werk in Merkers auch äußerlich anzusehen.
Trotzdem will sich die Mitteldeutsche Kali AG für den Erhalt der Produktionsstandorte Merkers und Unterbreizbach einsetzen. Immerhin ertönt schon seit Anfang des Jahrhunderts aus den Schächten in Merkers, Unterbreizbach und Dorndorf an der Werra der Bergmannsruf „Glück auf“.
Aus 400 bis 1.000 Meter Tiefe wird das wertvolle Naturprodukt Kali aus den flachen, flözartigen Lagerstätten gefördert. Ihr spezieller Vorzug ist, daß das Salz hier besonders viel des wertvollen Magnesiumsulfates enthält.
Das reicht allein nicht aus. Das Unternehmen bedarf schnellstens eines tragfähigen Sanierungskonzeptes. Derzeit sind etwa 2.000 Bergleute auf Kurzarbeit gesetzt. „Die schlechte Absatzsituation hat uns in den letzten Monaten zu wochenweiser Stillegung des Unternehmens gezwungen“, erläuterte Kreutzmann. Mit dem langsamen Niedergang der landwirtschaftlichen Genossenschaften in den neuen Bundesländern sei der Inlandsmarkt fast völlig zusammengebrochen. Osteuropa habe mit der Bezahlung Probleme, und in den Westen könne der Betrieb nicht mehr zu den einstigen Minimalpreisen liefern, schätzte das Vorstandsmitglied die Lage ein.
Nur einen Katzensprung von Merkers entfernt — früher allerdings schon jenseits der Grenze — liegt die Bergarbeiterstadt Phillipsthal. Bei einem Besuch im Werk Harttorf, einem von insgesamt sieben Betrieben der Kali und Salz AG, fallen rein äußerlich dem Besucher die Probleme der Branche nicht auf. Nach Angaben des Hartorfer Bergwerksdirektor Gustav-A. Burghardt können im Kreis Hersfeld heute rund 40.000 Leute gut leben. Die Kalibetriebe sichern auch die Existenzgrundlagen der heimischen Klein- und mittelständischen Unternehmen.
Die Kali-Bergleute aus Merkers und Harttorf bauen gleiche Lagerstätten bei gleicher Tiefe und mit gleicher geologischer Struktur ab. Sie verfügen über die annähernd gleiche Vorratslage und unterscheiden sich dennoch gewaltig.
Den Prozeß des Gesundschrumpfens der einzelnen Kalibetriebe, wie er sich gegenwärtig in Thüringen vollzieht, habe die westdeutsche Kali-Industrie in ähnlicher Weise in den sechziger und siebziger Jahren erlebt, sagte Burghardt. Waren 1950 noch 16.000 Kali-Kumpel unter Tage beschäftigt, sind es heute nur noch 3.000. Auch im Harttorfer Werk mußten letztes Jahr 186 Bergleute entlassen und eine Woche Kurzarbeit veranschlagt werden.
Seit den 70er Jahren hat der Harttorfer Betrieb etwa eine halbe Milliarde Markt aus eigenen Mitteln investiert. Er verfügt mit der elektrostatischen Aufbereitung des Kalisalzes über neueste technologische Verarbeitungsverfahren. Die stetige Rationalisierung und der sozialverträgliche Abbau von Arbeitskräften sei gepaart gewesen mit dem wirtschaftlichen Willen zum Überleben, betonte der Bergwerksdirektor.
Von Gesundschrumpfen kann in der östlichen Region schon keine Rede mehr sein. Die Belegschaft der Kali-Werra AG wird von gegenwärtig rund 4.500 Beschäftigten bis Jahresende auf 2.500 abgebaut werden. Der Dorndorfer Betriebsteil mit ehemals 300 Beschäftigten schließt Ende Juni endgültig seine Schächte. Mit der anvisierten Verselbständigung von zehn Bereichen der Kali- Werra AG und der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft will die Geschäftsleitung in Merkers möglichst viele Arbeitsplätze in der Rhön-Region erhalten oder neu schaffen.
Vor wenigen Tagen trafen sich in der Kreisstadt Bad Salzungen führende Wirtschafts- und Kommunalpolitiker, um gemeinsam über einen „Struktursanierungsplan Kali“ zu beraten. Immerhin sind im Kreis über 40.000 Menschen mittelbar und unmittelbar von der Krise der Kali- Industrie betroffen.
Da die Probleme nicht allein gelöst werden können, hatte Bad Salzungens Landrat Achim Storz einen Struktursanierungsplan und die Gründung einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft zur Finanzierung der verschiedenen Projekte angeregt. adn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen