■ Baupolitisches Rollback: Kaiser-Wilhelm-Stadt
Der neue Senat ist noch nicht gewählt, da kriechen bereits die ersten Pickelhaubenarchitekten und Möchtegern-Baudirektoren aus ihren verstaubten Löchern. Das Gespenst, mit dem sie umhergehen, hat einen Namen, der Schlimmes befürchten läßt: „Historische Rekonstruktion“ – das riecht nach kaiserlicher Selbstherrlichkeit, wilhelminischem Disneyland und einem zentralistischen Verständnis von Planungskultur, wie sie Paris bereits hinter sich hat.
Man mag zum scheidenden Senatsbaudirektor Stimmann stehen, wie man will: Sein Versuch einer kritischen Rekonstruktion formulierte immerhin den Anspruch, neue Architektur mit der bestehenden Stadt in ein spannungsreiches Verhältnis zu setzen. Eine „historische Rekonstruktion“ freilich, was immer das heißen mag, kann alles oder nichts bedeuten: klassizistisches Geprotze auf Spannbeton oder gefühlsduselige Architekturbilder im „Herzen der Hauptstadt“. Und noch ein Rollback droht: „Historisch“ muß ja – das zeigen Liepelt, Ahme und Co. – nicht unbedingt auch alt sein. Und wo das Bild vom Alten auch vom Neuen zitiert werden kann, kann das tatsächlich Alte im vorauseilenden Gehorsam gegenüber profitlüsternen Investoren getrost geopfert werden.
Daß der neue CDU-Bausenator (der von Baupolitik womöglich noch weniger versteht als der alte SPD-Bausenator von den Finanzen) dem Gespenst der „historischen Rekonstruktion“ entgegentritt, darf bezweifelt werden. Da bedürfte es schon einer SPD, die sich konfliktfähiger zeigt als in den vergangenen drei Monaten. Hinterher jammern gilt freilich nicht mehr: Wenn sich rund um die Bauherrenkonferenz Anfang Februar die Preußenfans durchsetzen werden, wird man die Stadt, die alte wie die neue, bald nicht wiedererkennen. Uwe Rada
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