: Kafkaesker Albtraum
betr.: „Nix für ungut!“ von Philipp Gessler, taz vom 12. 11. 07
Nach Kafkas berühmtem „Brief an den Vater“ aus dem Jahre 1919 folgt nun des Vaters „Brief an den Sohn“. Gemein haben beide Schriftstücke, dass das Gewaltmoment – im ersten Fall vorrangig psychisch, im zweiten vorrangig physisch motiviert – eine primäre Rolle spielt. Kafka hat seinen Brief nie abgeschickt. Was allerdings passieren wird, wenn Philipp Gessler seinem Sohn eines Tages die langwierige Geschichte seiner Beschneidung präsentiert, kann nur erahnt werden.
Ein Kind wird mit 14 Jahren religionsmündig und kann danach frei entscheiden, welche Religion es annehmen möchte. Mit dem gewaltvollen Akt der Beschneidung ist ihm jedoch ein Teil seines Körpers unwiderruflich entfernt worden, sodass das absolute Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stark eingeschränkt wurde. Sicherlich haben es sich die Eltern mit der endgültigen Entscheidung nicht leicht gemacht; Gesslers abschließender Wunsch, die Beschneidung möge seinem Sohn in späteren Jahren auch anderweitig Freude machen, tröstet dabei allerdings nur bedingt.
Bleibt nur zu hoffen, dass sein Sohn den kafkaesken Albtraum schnell verdrängt! PETRIA SALEH, Berlin