KURZKRITIK: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER „TOSCA“ : Bezaubernder Mario
Zu Puccinis „Tosca“ muss der Regie nichts Großartiges einfallen. Es steht ja schon alles in den Noten der Oper, die am Samstag Premiere am Goetheplatz hatte: Sex, Verzweiflung, trügerische Hoffnung, Folter und Tod, all das führt die Partitur ja musikalisch aus.
Und vom Staatsterrorismus übers vom Komponisten akribisch recherchierte Glockengeläut Roms bis zum Brünnlein, in dem Mario, der Maler und Freund der Sängerin Floria Tosca den flüchtigen politischen Häftling vor den Häschern des sadistischen Polizeichefs Scarpia versteckt – alles ist zu hören. „Die Sänger mit ihrem Körper im Raum – das muss reichen“, nach der Devise hat Vera Nemirova das Werk inszeniert.
Das könnte auch langweilen – tut es aber nicht. Einerseits, weil die Philharmoniker unter Daniel Montané glänzen. Andererseits, weil es den SolistInnen gelingt, direkt ins Herz hineinzusingen: Patricia Andress interpretiert die Titelrolle als ein großes Crescendo, vom verhalten-sonnigen Beginn über tremolierende Verzweiflung bis hin zum als Schrei komponierten Sprung in den Tod. Fast schon beängstigend hatte sich Loren Lang als Scarpia ausgetobt, am beeindruckendsten wohl in seinem ins Chor-Te-Deum hineinjubilierten Orgasmus der Vorfreude am Ende des ersten Aktes. Da glaubt der Bösewicht, dass Tosca sich von ihm wird besteigen lassen, um ihren geliebten Mario zu retten: „Tosca“, singt er in liturgisch-inspiriertetr Stimmführung, „du lässt mich Gott vergessen!“
Zum Erlebnis wird die „Tosca“ aber durch den bezaubernden Mario. Denn Luis Olivares Sandoval präsentiert sich als idealer Puccini-Tenor. Er verfügt über die zärtlichsten Lyrismen und doch auch über ein wuchtig volles, glockenmächtiges Volumen. Und hier ist eine Rolle, die ihm das beides abverlangt. Und er singt sie – als erfülle er sich selbst damit einen Herzenswunsch. Es ist ein reiner Genuss.
Nächste Termine: 31. 5. sowie 2., 7., 10., 15., 17., 22., 24., 28. und 30. 6.