KOMMENTARE: Palästinensische Chancen
■ Die Tischordnung in Madrid als Symbol für die tatsächlichen Verhältnisse
Unsichtbar, hinter den Kulissen, und allen Beteiligten bewußt, ist die PLO in Madrid präsent — ungeachtet aller Bemühungen der israelischen Regierung, ebendies zu verhindern. Die eigentlichen Leiter der palästinensischen Vertretung auf der Nahost-Friedenskonferenz sind Faisal al Husseini und Hanan Aschrawi. Beides sind Persönlichkeiten, die als Ostjerusalemer und wegen ihrer Nähe zur PLO nicht in die offizielle Delegation aufgenommen werden konnten, sondern dem Beratergremium angehören. Sie treten in Madrid als die Führer der Palästinenser auf und werden im Rampenlicht der Öffentlichkeit auch als solche wahrgenommen, ob dies Schamir gefällt oder nicht.
Auch die Sitzordnung rund um den „Tisch des Friedens“ sowie die Tagesordnung der Konferenz sind bezeichnendes Symbol für die tatsächlichen Verhältnisse in der Region, an denen sich keiner der Beteiligten wird vorbeischmuggeln können. Selbst dann, wenn einzelne es vorziehen, vor diesen Realitäten die Augen zu verschließen. Offiziell sind die Palästinenser zwar nicht mit einer eigenen Vertretung präsent, sondern treten im Rahmen einer gemeinsamen Delegation mit Jordanien auf — eine Übereinkunft, die ganz offensichtlich diplomatischen Rücksichten geschuldet ist. Doch in Wirklichkeit, quasi unter der Hand, sitzt die gemeinsame Delegation als einzige mit zwei Vertretern am Tisch und erhält auch die doppelte Redezeit — ein Tatbestand, der prompt zu einer offiziellen, aber vergeblichen israelischen Beschwerde führte. Kleinigkeiten vielleicht, aber sie machen deutlich, daß für die Palästinenser bei den bevorstehenden Verhandlungen durchaus politischer Spielraum besteht. Und das, obwohl das eingeleitete Verfahren in weiten Zügen die Handschrift Israels trägt.
All dies zeigt auch, daß die USA gewillt sind, ihre Rolle als „neutrale Vermittler“ im Rahmen der Möglichkeiten ernst zu nehmen. Die eindringliche Rede von George Bush stellte dies erneut klar: Der US-Präsident bezeichnete die UN-Resolutionen 242 und 338, die einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten vorsehen, ausdrücklich als die Basis des Friedensprozesses. An der so heftig umstrittenen Formel „Land gegen Frieden“ wird bei dem gestern eingeleiteten Prozeß niemand vorbeikommen. Trotz widriger Rahmenbedingungen gab es also gute Startchancen für die Palästinenser in Madrid. Beate Seel, z.Zt. Madrid
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen