piwik no script img

KOMMENTAREDer beste Augenblick in der Geschichte

■ Der Feminismus hat die Mann-Frau-Beziehungen verbessert

In einer Umfrage lese ich, daß in der EG fast ein Drittel der Ehen geschieden werden — von der Unstabilität anderer, nicbt legalisierter Formen des Zusammenlebens ganz zu schweigen, in denen sich Männer und Frauen mit Blitzesgeschwindigkeit zusammentun und wieder trennen. Einige Forscher schließen aus all dem auf eine Krise der Paarbeziehung, die nicht mehr funktioniert, die gescheitert ist. Ich kann diese These allerdings nicht teilen.

Glauben sie denn ernsthaft, daß die Paarbeziehungen früher besser waren? Früher, als es eine Schande war, sich zu trennen und unvorstellbar, daß eine Frau alleine leben wollte. In der Tat trennten sich die Leute selten oder nie — aber zu welchem Preis? Hunderttausende Frauen haben ihr Leben damit zugebracht, wie Vestalinnen eines heiligen Ritus das Feuer in ihrem Heim zu schüren. Sie haben ihre Begierden unterdrückt und verschwiegen, was kein Mann verschwiegen hätte, haben häufig ein hochlangweiliges und zu oft gewalttätiges, schmerzvolles und entehrendes Leben ertragen. Und das ist keine graue Theorie: Das Leben unserer Mütter und Großmütter zeugt noch immer von diesem Preis, den die Frauen seit Jahrtausenden bezahlt haben. Die Forscher, die von der augenblicklichen Krise der Paarbeziehungen reden, müssen Männer sein.

Mir kommt es im Gegenteil vor, als beginne für die Paarbeziehungen der beste Augenblick ihrer Geschichte. Es stimmt zwar, daß wir Frauen nicht mehr bereit sind, zum Wohle der Stabilität alles und jedes zu ertragen, und deshalb werden Verbindungen gelöst und das Zusammenleben zerbricht in Scherben. Die Qualität der Beziehungen ist jedoch mit Sicherheit höher. Der Feminismus hat uns alle, Männer und Frauen, zum Nachdenken gebracht und unsere Rollenvorstellungen in Frage gestellt. Wir Frauen haben an Stimme und Willenskraft gewonnen und die Männer eine persönliche Freiheit und eine Gefühlswelt, die ihnen zuvor verschlossen war: Sie müssen nicht mehr unbedingt die Stärkeren, Unfehlbaren und Härtesten sein.

Hat die ganze feministische Diskussion geholfen, daß sich die beiden Geschlechter besser verstehen? Nein. Wir respektieren uns mehr, aber wir verstehen uns weiterhin nicht. Jedoch besteht darin die Grundessenz der Beziehung zwischen den Geschlechtern: Das begeisternde und beunruhigende Mysterium, daß wir uns überhaupt nicht kennen. Die Männer sind das andere, das uns Frauen definiert und umgekehrt. Rätselhafte Planeten, die sich unter Blitzen anziehen und abstoßen. Rosa Montero

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen