KOMISCHE GERÜCHE : Der Billard ist zu
Irgendwie hatte sich das Ende schon angedeutet, als wir erfuhren, dass B., der uns so oft betreut hatte, gekündigt worden war, in der Nacht, als M. ihre letzte Schicht gehabt und uns zu einem besonders guten Wodka eingeladen hatte, in der Nacht, als A. ausschließlich Radio Paradiso gespielt hatte. Ratlos standen wir auf dem Kottbusser Damm und guckten auf die dunklen Fenster des Billardsalons. Es war Mittwochabend. Wir hatten Fußball geguckt, gegessen und jetzt war Billard. Normalerweise. Seit Jahren. Doch der Billard war zu.
Neben dem Klingelschild stand was von „betrieblichen Gründen“. Olli dachte „steigende Mieten“. Früher hatte es in Kreuzberg viel mehr Billardsalons gegeben. Aber das lohnt sich alles nicht mehr. Sondern nur noch Wetten und Quatsch mit Chipkarte zur Identitätskontrolle. O. Ä. Sinnlos standen wir herum, guckten ein letztes Mal auf die dunklen Fenster und gingen dann zu einem anderen. Erst wollte ich davor rauchen. Wie man immer noch schnell eine raucht, bevor man sich traut, was zu tun. Ich ließ es dann aber doch, um nicht als Weichei zu gelten. Der Salon war groß und anders. Der Boden war grau. An den Wänden hing Kunst. Das helle Licht wirkte energiesparlampig. Der Tischbelag war schneller. Auch roch es ganz komisch. Es riecht ja oft ganz komisch, wenn Menschen nicht rauchen. Die Musik war aber prima. Nicht unbedingt aktuell, eher 80er mit Jonathan Richman, Suicide, The Jesus & Mary Chain, Shockabilly usw., aber doch so, dass man sich von ihr ernst genommen fühlte.
Eine Woche später fühlten wir uns beleidigt, weil eine Stunde lang Musik von Gisbert zu Knyphausen lief. Was ja bedeutete, dass man am Tresen der Meinung war, dass die Musik des Liedermachers zu uns passen würde. Und Olli erzählte, der Billardsalon am Kottbusser Damm sei nun schon leergeräumt. Die Tische würden grad auf Ebay versteigert werden. DETLEF KUHLBRODT