: KENNEN SIE DEN?
■ Nachwuchs-Variete in der Etage
Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf! Erst der Schneesturm und dann Showtime Royal. Nach zwei zähen Stunden in der Etage, die größtenteils so dröge und ölig sind wie früher der Bunte Abend im Fernsehen, bleibt nur die Frage, warum es eigentlich anderen (UFA-Zirkus, Tempodrom oder Scheinbar) gelingt, das verstaubte Variete so unvergleichlich witziger und fetziger zu bringen.
Gut, es sind Schüler der Etage, die da ihr zahlendes Publikum quälen. Das entschuldigt heruntergefallene Keulen, Bälle oder Zigarettenkisten, im übrigen gehören die Jongliernummern noch zu den Glanzpunkten des Abends. Wenn von den wenigen Künstlern auch noch die Akrobaten wegen Krankheit ausfallen, dann ist das verdammtes Pech.
Wozu dann aber zwei Stunden Programm aufrechterhalten? Oder ging es ursprünglich noch länger? Zuzutrauen ist diesen für ihr Publikum absolut unsensiblen Leuten alles. Kein mit Regiearbeit vertrautes Wesen scheint ihnen etwas von Timing gesagt zu haben. Und so gibt es endlose Nummern wie Ulli GLeichmanns Pantomime „Der Barkeeper“, wo eine Fliege schon den Höhepunkt bedeutet, oder die eigentlich witzige Dirigentenparodie mit Bällen von Markus Weiß, die sich aber 20 Minuten hinzieht. Dazwischen Witze, die keine sind („In meinem Aquarium hat das Wasser so ein Stück über dem Rand gestanden, so daß der Fisch...“) in endlosen Ansagen von einem Komiker, der keiner ist. Später dann ein unsäglicher Kohl-Witz, vom Conferencier dargeboten in der Manier: Kennen Sie den? - „Mut zur Geschmacklosigkeit“ gehört seiner Aussage nach zum Handwerk.
Dafür entschuldigt er überflüssigerweise eine der wirklich originellen Nummern. Markus Weiß hatte die großartige Idee, Jandl-Gedichte mit rythmischem Schachtel-Jonglieren zu untermalen. Doch die Gruppe scheint Angst vor Niveau zu haben. Das erklärt vielleicht auch die peinliche Endlosnummer der Kollegin, die mit Weiß und dem Conferencier ansonsten die Jongliertruppe bildet. Das 20-Minuten-Limit wird auch hier nicht unterschritten, zunächst mit ungarischem Kunsttanz, dann mit Gedichten aus der Abteilung „Reim dich oder ich freß dich“. Auch vor Publikumsbeteiligung wird natürlich nicht zurückgeschreckt. So bleibt uns nicht der zweifelhafte Genuß erspart, sie schäkernderweise auf dem Schoß eines völlig erstarrten Jünglings zu sehen. - Immer wieder stellt sich bei Showtime Royal eine Frage: wozu?
Die wenigen gelungenen Nummern wiegen die Selbstüberschätzung nicht auf. Die Akteure können etwas, ohne Zweifel, und manchmal bringen sie es sogar witzig. Dazu gehören die Jonglierakte von Extra Dry, die zweite Pantomime Ulli Gleichmanns, der einen Party-gequälten Nachbarn zeigt oder Markus Weiß‘ „Kulenkrampf“, der zur Nachtstunde ein Grimm-Märchen bis zur absoluten Unkenntlichkeit zerliest. Daraus ließe sich ein nettes Programm von etwa einer halben Stunde machen. - Wie wärs?
Sabine Rutkowski
Showtime Royal ist noch am 3. und 4.Dezember ab 21 Uhr in der Etage, Hasenheide 54 in 1-61 zu sehen.
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