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Justitia wird selbständig

■ Von der Gebäudeverwaltung bis zu den Knästen: Die Bremer Justiz soll Dienstleistungsbetrieb bekommen

Amtsgerichtspräsident Rüdiger Tönnies ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Richter verhandelt er Konkurse, er ist Chef der 430 Bediensteten im Amtsgericht. Und auch wenn die Heizung ausfällt, eine Scheibe klirrt oder im Amtsgericht umgebaut werden soll, ist der Jurist gefragt. „Dabei bin ich für solche Aufgaben gar nicht ausgebildet“, stöhnt Tönnies. Ab dem 1.1.1997 soll ihm deshalb „JUDIT“ (Justizdienstleistungen) zur Seite gestellt werden.

Der Eigenbetrieb der Bremer Justiz soll künftig Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Verwaltung von Gebäuden für die Justiz übernehmen. Die Deputation für Justiz und Verfassung hat gestern dem Gesetzentwurf zur Gründung dieses Eigenbetriebes für Justiz-Dienstleistungen zugestimmt. Nach der Sommerpause sollen Senat und Bürgerschaft über die Einrichtung entscheiden.

Die Gebäudeverwaltung, EDV, Reinigung, Instandhaltung, Bibliothekswesen, Einkauf soll „Judit“ erledigen und Amtsleiter wie Tönnies entlasten. Bisher kauft jede Behörde ihr Papier selbst und kümmert sich um die Umbauten. Lange Dienstwege und hohe Kosten sind die Folge: Allein die Gebäudeverwaltung schlägt im Justizhaushalt mit 25 Millionen Mark zu Buche. Das Projekt gilt als weiterer Beitrag des 1994 eingeführten Modellvorhabens der dezentralen Ressourcensteuerung bei der Justiz. 1993 schloß die Justiz mit einem Defizit von 2,6 Millionen Mark ab. Nach Einführung der ersten Maßnahmen zu dem Modellprojekt konnte die Justiz 1994 eine Haushaltsverbesserung von 6,3 Prozent verbuchen.

Die Ausgaben waren gesenkt worden. Doch die geringen Einnahmen stagnierten: Mit 50 Millionen Mark schlägt jährlich der Strafvollzug zu Buche. Gerade zwei Millionen kommen durch die Arbeit der Häftlinge wieder in die Kasse. Ein Tag Haft kostet 209 Mark, dem stehen zehn Mark gegenüber, die der Häftling pro Tag erarbeitet. Auch damit soll jetzt Schluß sein. Die Werkstätten der Justizvollzugsanstalten sollen ebenfalls in Betriebe umgewandelt werden. Zwei Marketingfachleute werden eingestellt, um Aufträge zu akquirieren. Bisher begnügten sich die Knast-Werkstätten mit den Aufträgen, die von Bremer Unternehmen an sie herangetragen wurden. Die Dienstwege waren lang und kostspielig: Wollte ein Unternehmen sich in der Knast-Tischlerei einen Schrank bauen lassen, mußte das Justizvollzugsamt erst die Genehmigung erteilen. Von dort aus ging der Auftrag an die Werkstätten. Für die Bestellung des Holzes war wieder das Justizvollzugsamt zuständig. Jetzt soll der Werkstattleiter zum Produktionsleiter aufsteigen, der den Auftrag von Anfang bis Ende abwickelt. Durch die effektivere Arbeitsweise sollen bessere Preise erzielt werden. Die Löhne der Knackies (derzeit: 1,11 bis 1,85 Mark pro Stunde) könnten erhöht werden, und die Justiz würde sparen. Wieviel, hängt freilich von der Auftragslage ab. Doch selbst wenn die sich gut entwickelt, sollen die Knackies mit billigen Angeboten nicht zur Konkurrenz für die Betriebe in der freien Wirtschaft werden: Nur wenn die Produktion in Deutschland zu teuer wäre, könnten sie den Auftrag bekommen – bevor die Firmen nach Fernost abwandern. kes

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