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Just in time Von Mathias Bröckers

Spät kommt er, doch er kommt, der Papst: 450 Jahre danach hat er der Entdeckung des Astronomen Nikolaus Kopernikus den kirchlichen Segen erteilt. Nach Galilei nun schon der zweite Mann der Wissenschaft, der mit einem halben Jahrtausend Verspätung in den Kanon des katholischen Weltbilds aufgenommen wird.

Aber was ist schon ein Semi- Millenium, wo es um Ewigkeiten geht. Daß sich die Erde um die Sonne dreht, gilt jedenfalls hinfort nicht mehr als ketzerische Irrlehre: „Die behauptete Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Glaube gehört der Vergangenheit an“, erklärte der Papst in einem Brief an die Universität Ferrara, an der Kopernikus studiert hatte und wo vergangene Woche an den Jahrestag seiner Entdeckung erinnert wurde.

Obwohl er zu Lebzeiten nicht als Ketzer verfolgt wurde, stieß seine Hypothese in der christlichen Kirche auf scharfe Ablehnung, katholische und protestantische Theologen übertrafen sich gegenseitig in der Schmähung des Astronomen. Sein Buch allerdings wurde erst 1854 von der Kirche offiziell verbannt – insofern kommt der päpstliche Gnadenerlaß so spät nicht, der christliche Widerstand gegen das heliozentrische Weltbild ist nicht nur „mittelalterlich“, sondern durchaus modern.

Nun mag es naheliegen, über die gottverdammte Verschnarchtheit des Vatikan nur den Kopf zu schütteln – oder in Wut zu geraten, angesichts der brutalen Borniertheit, mit der die Kirche ihr verstaubtes Weltbild über Jahrhunderte verteidigte.

Legt man die Zeitmaßstäbe von Galilei und Kopernikus an, so wird die katholische Anerkennung Darwins dem 22. Jahrhundert vorbehalten sein, Freud steht der päpstliche Segen ab etwa 2.350 ins Haus, und irgendwann danach wird auch die Sexualität, samt allen Kondomen und Verhüterli, aus dem Lager des Satanischen ins Glaubensbekenntnis überführt sein. Auch für die Frauen besteht dann Hoffnung: Etwa im Jahr 2.500 ist mit der Quotenregelung auf dem Heiligen Stuhl zu rechnen!

Tja, und doch hat sie was, diese Super-Zeitlupe, mit der die Kirche auf neue Wahrheiten reagiert. Bevor der Ältestenrat bei den Indiandern eine Entscheidung traf, mußten deren Folgen für die nächsten sieben Generationen abgeschätzt werden – das konnte dauern, aber diese Langsamkeit hatte ihr Gutes. Ein Hauch von dieser Qualität schwingt noch mit, wenn der große Häuptling Woityla nach einem halben Jahrtausend jetzt lässig verkündet, daß Kopernikus für den Stamm der Katholen gebongt sei. 450 Jahre über einem Problem zu brüten – ein so großer Ratschlag scheint angesichts der Ex-und- Hopp-Entscheidungen unserer Tage völlig unangemessen. Und doch fordern die großen Entdeckungen unserer Tage, die Atom- und die Gentechnologie, die Wiederentdeckung einer derart extremen Langsamkeit geradezu heraus. Denn noch nie war es gefährlicher und selbstmörderischer als heute, bei Entscheidungen nur auf den schnellen Nutzen und nicht auf die langfristigen Folgen zu achten. Ein Ältestenrat der UNO, der im Interesse der Biosphäre und jenseits kommerzieller nationaler Interessen über die Nutzung nuklear- und gentechnischer Entdeckungen zu entscheiden hätte, müßte für die Beratung durchaus päpstliche Zeitmaßstäbe veranschlagen.

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