: Junge Mütter
■ betr.:„ Rund 15 Millionen Teen ager werden jedes Jahr weltweit schwanger“, taz vom 4.4. 98
Wenn man einmal das Foto zum Artikel betrachtet, fröhliche junge Mutter auf Rollschuhen, fragt man sich, warum Schwangerschaft von Minderjährigen per se denn ein „abruptes Ende der Kindheit“, ein Gesundheitsrisiko ersten Ranges, eine potentielle Todesursache sein muß, wie der Artikel behauptet. [...]
Es ist unbestritten: In Ländern der sogenannten Dritten Welt signalisiert eine frühe Schwangerschaft den frühen Eintritt in die „Reproduktion“, dem oft eine große Zahl weiterer Geburten in kurzen Abständen folgt, oft unter eklatantem Mangel an Mitteln der Grundsicherung. Es kann lebensverlängernd sein, wenn nicht lebensrettend, den Beginn der Reproduktionskarriere hinauszuschieben.
In vielen Ländern Europas oder Nordamerikas bedeutet frühe Schwangerschaft etwas ganz anderes: Sie zeigt den Beginn sexueller Beziehungen dieser Altersgruppe an und ist praktisch deren unvermeidbare Begleiterscheinung. Ob frühe Schwangerschaften ausgetragen werden und mit welcher Langzeitwirkung für Mutter und Kind, das ist hauptsächlich eine Frage des gesellschaftlichen und familiären Kontextes.
Ich komme zu dem Fazit, daß Mutterschaft wesentlich stärker durch die Schichtzugehörigkeit geprägt wird als durch das Alter bei der ersten Geburt. Und übrigens: es gibt nach der Geburt des ersten Kindes noch viele weitere biographisch relevante Entscheidungen. Unter dem Gesichtspunkt der Langzeitfolgen ist vielleicht besonders wichtig, ob es gelingt, mit dem Kinderkriegen ungefähr nach Kind Nummer zwei Schluß zu machen.
Was das „Ende der Kindheit“ angeht, zeigen mehrere Studien, daß junge Mütter, falls sie selbst unter gesunden physischen Bedingungen aufgewachsen sind, diesen Übergang gut bewältigen. (Das gleiche gilt unter Umständen auch für die zugehörigen Väter, über die aber selten geforscht wird.) Schwer vorstellbar? Mir scheint, in dieser Gesellschaft, in der junge Leute mit aller Macht von den interessanten Projekten des Lebens ferngehalten werden, hat man einfach vergessen, wozu diese jungen Leute in der Lage sind. Dagmar Pattloch-Geissler,
Berlin
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