: Jukebox
Französische Musik: groß gerade als Randexistenz
Was jetzt vielleicht doch erklärungsbedürftig ist, das mit der Randexistenz, aber es hat eben einfach mit der peripheren Lage zu tun, in der sich Frankreich nun mal befindet, popmusikalisch gesprochen. Denn man wird den hier gern als Grande Nation bezeichneten Nachbarn wohl nicht zu nahe treten mit der Feststellung, dass das große Frankreich bei Pop höchstens mittelgroß ist, zumindest, wenn man auf den weltweiten Export zielt, den Frankreich so wie Deutschland jetzt doch weniger beschickt im Vergleich etwa zu den Vereinigten Staaten von Amerika oder auch England. Selbst wenn sich seit den Tagen von Johnny Hallyday mit Nouvelle Chanson oder dem migrationsbewegten Hiphop einiges getan hat in Frankreich und auch nicht mehr jeder Trend in den USA oder England gemacht wird. Man erwartet ihn aber auch nicht ausgerechnet aus Frankreich, den Trend. Was so, unbelasteter in einer Pop-peripheren Lage, dann halt Freiräume schafft.
These: Da sind dann Sachen möglich, die in Pop-gesättigteren Umgebungen mit ihren engen Regelwerken gar nicht erst gedacht werden können. Dass etwa Bach auch als Jazz gespielt werden kann, wie das der französische Pianist Jacques Loussier machte. Mit seinem „Play Bach“-Trio hatte er auch deswegen so einen gigantischen Erfolg, weil die Platten von allen Klassikliebhabern gekauft wurden, die sich damit ihre Aufgeschlossenheit modernen Musikformen gegenüber beweisen wollten. Neben dem Klassikfundus stand in diesen Haushalten dann „Play Bach“ als einzige Jazzplatte. Eben eine Randexistenz, aus der Plattenschrankperspektive. Am Dienstag spielt das Jacques Loussier Trio in der Philharmonie.
Mehr französische Randexistenzen: Jean Michel Jarre, megaerfolgreich mit „Oxygène“, weil er die sonst nur wirr wabernde Synthesizermusik endlich mal melodisch so hübsch ordnete, dass seine Platte als einzige Elektronische-Musik-Platte ihren Platz im Mainstreampop-Haushalt fand. Oder Daft Punk: Franzosen-House für Menschen, die House sonst gar nicht mögen. Und natürlich Serge Gainsbourg, der Hip-Franzose, dessen psychedelisch durchbrochene Chansons bis heute das Herz der Pop-Hörer rühren. Deswegen suchen die aber noch lange nicht nach den Chansons von Charles Aznavour oder Edith Piaf. Am Sonntag gibt es eine Serge-Gainsbourg-Hommage im White Trash.
Französische Musik ist eben immer gut für ein Alleinstellungsmerkmal. THOMAS MAUCH