Journalist über Drohungen von Rechten: „Es ist eine Zermürbungstaktik“

Als Sprecher des „Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts“ wird David Janzen von Rechten bedroht. Nun bekam er einen Schweinekopf zugeschickt.

Ein Schwarz-Weiß-Portraitfoto von David Janzen klebt an einer Tür, davor sind Kerzen aufgestellt.

Auch ein Kreuz mit dem eigenen Foto und Kerzen fand David Janzen vor seiner Tür Foto: Julia Hausmann

taz: Herr Janzen, als Sprecher des „Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts“ werden Sie seit Langem aus der rechten Szene bedroht. Gerade hat man Ihnen ein Paket mit einem vergammelten Schweinekopf geschickt

David Janzen: Als ich heute morgen die Polizei gerufen habe, musste ich zunächst mit dem Kripobeamten darüber diskutieren, ob der mir zugeschickte Schweinekopf nun überhaupt eine Bedrohung oder Straftat darstellt, bevor er dann doch die Spurensicherung losgeschickt hat.

Wie sind diese Übergriffe zu bewerten?

Zum einen ist die Zahl rechter Straf- und Gewalttaten in Braunschweig seit Jahren im Vergleich zu anderen Städten in Niedersachsen hoch, zum anderen fokussiert es sich auf mich. Die mutmaßlichen Täter sind ein kleiner und eigentlich bekannter Kreis. Politisch haben diese Kräfte keinen Erfolg. Im Unterschied zu manchen Städten im Osten ist es in Braunschweig gelungen, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem Menschen, die rechtem Gedankengut anhängen, in der Minderheit sind, in einer Verteidigungsposition.

Und dann wird es persönlich?

David Janzen

47, ist Fachjournalist, Jugendbildungsreferent und ehrenamtlicher Sprecher des „Braunschweiger Bündnisses gegen Rechts“.

In meinem Fall ist es eine Zermürbungstaktik. Sie folgt der Vorstellung, der Sprecher des Bündnisses ist das Bündnis. Auch in der Presse heißt es ja manchmal: das Bündnis von Janzen. Die Idee mag sein: Wenn sie mich dazu bringen, mich zurückzuziehen, dann bricht das ganze Bündnis zusammen. Im Augenblick mache ich eigentlich nur die Pressearbeit, mehr schaffe ich beruflich und privat gar nicht, das Bündnis ruht aber auf vielen Schultern. Aber es ist halt einfach, auch mit wenigen Leuten, jemand zu bedrohen. Es ist ein genereller Trend, dass rechte Gewalttaten zunehmen. Das hat auch mit dem Erfolg der AfD zu tun, von dem radikale Rechte nicht so profitieren, ihr Frust entlädt sich dann in Gewalt.

Wie reagieren Polizei und Ermittlungsbehörden auf die Bedrohungen Ihrer Person?

Seit letztem Sommer sind die Bedrohungen sehr massiv, die Polizei ist nicht untätig. Aber es hört ja nicht auf, ich kann die neuen Aufkleber von „Adrenalin 381“ mit „Lügenpresse“ oder „Stoppt die Antifa“ gar nicht mehr zählen. Laut Polizei liegt keine Straftat, also Sachbeschädigung, vor, weil sich die Aufkleber ja entfernen lassen. Auch der Ketchup an der Tür, der Essig im Postkasten ließen sich abwaschen. Ein Pro­blem ist natürlich, wenn die Polizei gleich als Mitteilung an die Presse schickt: Es war keine Straftat. Das ist eine regelrechte Ermunterung weiterzumachen. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage gegen eine Person erhoben, erstaunlicherweise auch wegen der Aufkleber. Trotzdem kann diese Person weiter am Haus vorbeigehen, weiterkleben.

Das „Braunschweiger Bündnis gegen Rechts“ ist kein Verein, sondern ein loser Zusammenschluss aus Vertretern von Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, linken Gruppen.

Gegründet hat es sich 1999,

als die NPD in Braunschweig einen Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung veranstaltete.

Zur Kernaufgabe gemacht hat sich das Bündnis, gegen Neonazi-Auftritte zu protestieren und diese zu übertönen. Es macht aber auch Veranstaltungen am 8. Mai und Gedenkstättenarbeit.

Aber es ist doch ein Unterschied: Aufkleber oder eine Morddrohung wie „Gestern Walter morgen Janzen“.

Nach dem Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschien letzten Sommer ein Video auf Instagram und Twitter, ein paar Tage später stand auf der Tür „Wir töten Dich Janzen“ mit dem Aufkleber von „Adrenalin“. Danach war rund um die Uhr Polizeischutz vor dem Haus, irgendwann aber auch nicht mehr. Es gab keinerlei Information, wie ich mich jetzt verhalten solle. Der Polizeipräsident hat angerufen, der Innenminister, weil es öffentlichen Druck gab. Für mich bleibt die persönliche Bedrohung, im direkten Wohnumfeld.

Sie haben Familie, Kinder.

Neulich war ich mit dem Kinderwagen auf der Straße, ein Neonazi hat mich begrüßt und gesagt, er begleite mich jetzt mal nach Hause. Ich könne mir aber nicht sicher sein, ob er mir nicht irgendwann was zwischen die Rippen rammt. Der Polizei habe ich das mitgeteilt, sie wollte eine Gefährderansprache machen, die Gegenseite hat alles abgestritten und mich wegen Verleumdung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, es läge keine Androhung eines Verbrechens vor, ein Messer zwischen den Rippen wäre nicht zwangsläufig tödlich, sondern eine Körperverletzung. Auch das Verfahren wegen des Videos wurde eingestellt, weil es bei dem justizbekannten Täter unerheblich wäre. Juristisch lernt man immer dazu.

Warum machen Sie trotzdem weiter?

Ich bin seit meinem 16ten Lebensjahr in Antifa-Bewegungen. Es gab da ein Schlüsselerlebnis: Ich war mit Freunden unterwegs. Rechte Skinheads fühlten sich durch einen von uns beleidigt, sie haben ihn gegriffen und richtig zusammengeschlagen. Wir mussten zusehen, ein anderer Nazi-Skin bedrohte uns mit dem Messer. Ich dachte damals, so etwas darf nie mehr passieren, so hilflos zu sein! Das Schlimmste war aber, dass die Polizei das Ganze heruntergespielt hat, die Eltern Angst hatten, Strafanzeige zu erstatten.

Fühlen Sie sich angesichts dieser Bedrohungssituation allein gelassen?

Will man das wirklich wissen? Was mich in Braunschweig fasziniert, ist die Solidarität in der Bevölkerung. Mir haben wildfremde Leute ihr Ferienhaus angeboten, wenn ich abtauchen möchte, und anderweitig den Rücken gestärkt. Wenn man in so einer Lage nicht allein ist, hilft das schon sehr.

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