Journalist in Mexiko ermordet: Kopfschuss wegen Kritik?
Rubén Espinosa war wegen Morddrohungen nach Mexiko-Stadt gezogen. Nun wurde er dort erschossen aufgefunden – mit vier anderen.
Espinosa hatte in Veracruz unter anderem für das bekannte Wochenmagazin Proceso gearbeitet. Hauptthema seiner Fotografie waren soziale Bewegungen. Er hatte Proteste gegen den Gouverneur der Regierungspartei PRI, Javier Duarte, dokumentiert, hatte Polizeiübergriffe mit der Kamera festgehalten und sich aktiv an Journalisten-Kampagnen gegen die Einschüchterung und Ermordung von Pressevertretern beteiligt.
m Juni hatte er Veracruz verlassen, nachdem er sicher war, sowohl vor seinem Haus und vor seiner Arbeitsstelle als auch unterwegs bei Recherchen überwacht zu werden. Auch sei er mehrfach mit dem Tod bedroht worden – seiner Überzeugung nach von Polizisten in Zivil.
Für Journalistenorganisationen ist die Verantwortung für den Mord klar – noch am Sonntag kam es in mehreren Bundesstaaten zu kleineren Demonstrationen für die Pressefreiheit und gegen Gouverneur Javier Duarte. Der hatte bei einer Pressekonferenz einmal die anwesenden Medienvertreter gewarnt, sich „anständig zu benehmen“.
Allein während seiner Amtszeit wurden seit 2012 in Veracruz ein Dutzend Journalisten ermordet, berichtet die internationale Journalistenschutzorganisation Article 19 – das ist sogar für Mexiko ein Rekord. Kein einziger dieser Fälle wurde aufgeklärt, Schutz wurde verweigert.
Zur falschen Zeit am falschen Ort?
Doch die Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Espinosa in alle Richtungen. Allen fünf Opfern war mit einer 9-Millimeter-Waffe in den Kopf geschossen worden, alle zeigten Spuren schwerer Misshandlung. Espinosa war nach Aussagen von Angehörigen, die die Leiche identifizierten, außerdem noch zweimal in die Brust geschossen worden.
Die vier Frauen – darunter eine Freundin und studentische Aktivistin, zu deren Party Espinosa in die Wohnung eingeladen war – wurden laut Polizeiangaben vor ihrem Tod vergewaltigt. Auch sei die Wohnung ausgeraubt worden, weshalb offiziell gemutmaßt wird, Espinosa sei einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Dagegen spricht die Statistik. Auf dem amerikanischen Kontinent ist Mexiko das gefährlichste Land für Journalisten. 227 Angriffe auf Journalisten verzeichnet Article 19 im ersten Halbjahr 2015. Espinosa ist der siebte Journalist, der in diesem Jahr ermordet wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“