: Joschka medienscheu
■ Bräutigam Fischer läuft den Fotografen davon
„Da hat sich bestimmt widder aaner runnergesterzt!“ - „Die habbe ja schon jahrelang zusammegewohnt!“ In der gut hundertköpfigen Menge, die sich am Montag vormittag vor dem Standesamt auf dem Frankfurter Römerberg versammelt haben, brodelt die Gerüchteküche. Mehrere Fernsehkameras und ein stattliches Aufgebot von Fotoreportern signalisieren, daß ein wichtiges Ereignis zu erwarten ist. Während ein Posaunenchor unerschütterlich Weihnachtslieder intoniert und die Duftmischung des Weihnachtsmarktes die Wartenden umhüllt, verdichten sich die Informationen: Joschka Fischer und seine Lebengefährtin Claudia treten in den Stand der Ehe. „Das Mädel hat ihm zur Hochzeit was Ordentliches besorgt. Die Turnschuhe bleiben zu Hause“, lobt ein älterer Mann die Braut. Um 12.15 Uhr ist es soweit. Joschka verläßt den Römer. Allein: Er schreitet nicht die Römertreppe hinunter, sondern er verdrückt sich am Pförtner vorbei durch die profane Glastür des Verwaltungsteils und taucht binnen Sekunden im Weihnachtsmarktgedränge unter. Dann folgt die Braut, hinter ihr die Hochzeitsgäste. Alle suchen Joschka. Fotografen halten sich an die Braut, die ihrerseits in Begleitung zweier Freundinnen von dannen eilt. Die wartende Menge ist zutiefst enttäuscht, das Ereignis geplatzt. Trauzeuge Otto Schily zeigt wenig Verständinis für den frisch Vermählten, versteht „Joschkas Medienscheu“ nicht. Plötzlich weiß die Braut mit den Fotografen im Gefolge nicht mehr weiter. Wo steht das Auto? Nach kurzer Konfusion findet sie es dann doch. Joschka wartet schon. In der Allerheiligengasse. Reinhard Mohr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen