: Joschka hat recht
■ betr.: „Hessens Grüne in der Krise“, taz vom 24.2. 98 u.a.
Endlich hat es der große Joschka Fischer gesagt, die hessischen Grünen (...) sind „dämlich“. Das trifft auf Kommandoebene und Parteibasis in Hessen gleichermaßen zu. Aber: Die bestehenden Probleme sind rein hessische und keinesfalls auf andere Landesverbände übertragbar.
Die hessenspezifische Zucht von reinen StrömungspolitikerInnen, die inhaltlich nichts auf dem Kasten haben, ist problematisch. Die Karrieren dieser PolitikerInnen sind daher in aller Regel dem Zwangsopportunismus verpflichtet, denn beruflich haben die meisten keine Alternative. Die feministische Juristin Margarethe Nimsch ist Opfer eines angenommenen zivilen Ungehorsams gegen die gnadenlose Kommandoebene. Obwohl Reinhold Weist in geheimer Abstimmung als parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion abgewählt wurde, stand für ihn bei Verlassen des Fraktionssaales fest, daß Margarethe die Abtrünnige sei und er sie „mitnehmen“ werde. Die Kampfmaschine Weist und seine mitstreitende Lebensgefährtin Sabine Giesa waren in Gang gesetzt, und durch gezielte Indiskretion aus dem grünen Ministerium stand die Ministerin plötzlich am Pranger. Ganz unschuldig kann der grüne Staatssekretär am „Skandal“ nicht gewesen sein. Er wußte, daß die Presse bereits in der Angelegenheit recherchierte, und heftete dennoch seinen belastenden Vermerk in der entsprechenden Akte ab. Normaler Umgang wäre es gewesen, die Ministerin auf einen möglichen politischen Fehler hinzuweisen und gemeinsam die Kuh vom Eis zu bringen, es war ja noch kein Schaden entstanden. Das wollte aber niemand, kein Wunder, fühlen sich doch viele Personen im engen Ministeriumsumfeld eher Reinhold Weist verpflichtet als der nicht zur Kerntruppe zählenden Nimsch.
Die Ministerin ging, und mit ihrem Abtreten kamen die Krokodilstränen derer, die sie abgesägt haben. Priska Hinz sei jetzt die Frau der Wahl und wer sie nicht wähle, führe den hessischen Landesverband in die Apokalypse. Das gleiche hatte man bei der Nominierung von Margarethe Nimsch auch für sie ins Feld geführt. Damals setzte die Kommandoebene Nimsch noch gegen die jetzt bejubelte Priska Hinz durch.
Die Basis, alles gestandene KommunalpolitikerInnen, hatte nicht den Mut, diesen periodisch auftretenden Unfug zu beenden. [...] Reinhold Weist hat sich in solchen Fällen auf seinen Heimfahrten immer über diese dilettantische Funktionärsbasis lustig gemacht, mit der man machen kann, was man gerade will. Diesmal werden es andere getan haben, denn diese so gutmütigen Grünen sind eben – um mit den Worten Joschkas zu sprechen – „dämlich“.
Peinlich ist an der Sache nur, daß der Rücktrittsgrund Zeichen gesetzt hat. Grünennahe Forschungsinstitute, Firmen und Büros werden in Hessen mittelfristig die Hauptbetroffenen sein. Und hier zeigt sich, daß dieser Fall eine hessische Karnevalsposse bleiben muß. Denn wenn die Grünen im Bund an die Macht kommen und sich nur auf die teilweise äußerst reaktionären CDU-Beamten verlassen müssen, ohne einmal einen externen Gutachter ihres Vertrauens beauftragen zu können, dann gilt, was Jürgen Gottschlich den Grünen in Bonn vor einiger Zeit in der taz bereits empfohlen hat: Bleibt lieber in der Opposition.
Doch glücklicherweise wird am Rhein heftiger Karnveal gefeiert, aber dafür nicht so nachhaltig. Anke Uhl,
Sprecherin der B'90/Grünen
Bundesarbeitsgemeinschaft
Demokratie und Recht
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen