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Archiv-Artikel

Jetzt mit Spektakelfaktor

Der VfL Wolfsburg gewinnt 3:2 gegen Bayer Leverkusen. Trainer Augenthaler spricht von dem „besten Spiel, seit ich in Wolfsburg bin“, und meint damit „vor allem die erste Halbzeit“

von PETER UNFRIED

Wenn man gewinnt, hat alles seine Logik. Und so hat der VfL-Manager Klaus Fuchs nach dem 3:2 des VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen auf Nachfrage noch mal die positive Entwicklung des Bundesligisten skizziert von dem Zustand, den er „Schießbude der Liga“ nennt – bis heute. Als Trainer Klaus Augenthaler und Fuchs Anfang 2006 die Vorgänger Fach und Strunz ablösten, war die Verbesserung der Defensive erste Unternehmerpflicht. Seither staubsaugt van der Leegte vor der Abwehr. Die Stabilisierung wurde durch den Zukauf Madlung in der laufenden Vorrunde verfeinert. Vorn dagegen war man zwar mit Jacek Krzynowek auf der linken Bahn die seit dem Verkauf von Martin Petrov existierende Baustelle angegangen. Doch weil die Stümer Klimowicz und Boakye lange ausfielen, die Außenverteidiger hauptsächlich verteidigen und der fürs Kreative vorgesehene Hristov auch verletzt war, lag das Offensivspiel brach beziehungsweise war reduziert auf eine mickrige Option: Flanke Krzynewek, Tor Hanke.

Und dann kam Marcelinho. Noch immer hat er kein Tor erzielt. Im Gegensatz zu den Spielen davor (1:2 in Berlin, 2:2 gegen Frankfurt) hat er diesmal noch nicht mal einen Treffer vorbereitet. Dennoch wirkt er. „Man hat das Gefühl“, sagt Manager Fuchs, „dass durch Marcelinho die ganze Mannschaft mehr am Spiel teilnimmt.“

Noch ist längst nicht zu sagen, wie nachhaltig der brasilianische Kreativspieler sein wird. Er ist 31, er hat ein vergeudetes halbes Jahr hinter sich. Wenn man ehrlich ist, wurde er in Berlin am Ende weggejagt. Doch wo beim VfL zuvor direkter Kombinationsfußball eher unmöglich war, läuft der Ball plötzlich geschmeidiger und vor allem auch mal Richtung gegnerisches Tor. Marcelinho hatte gegen Bayer keine Einzelaktionen, die die Leute von den Sitzen gerissen hätten. Aber grade das gefällt Fuchs. Dass er kein zweiter d’Alessandro sei, der unentwegt kreiselt und um den sich alles dreht. Sondern einer, der abtropfen lässt, rüberschiebt und dank seiner solitären Möglichkeiten am Ball mit einer Bewegung Dynamik reinbringen kann. Trainer Augenthaler sagt, im Übrigen habe man Marcelinho „nicht geholt, dass er uns jedes Spiel gewinnt“. Sondern: „Um das spielerische Moment zu stärken.“

Dass er es ernst meint, hat man daran sehen können, dass er erstmals Klimowicz und Hanke vor Marcelinho einsetzte, dazu Krzynowek links und Mensequez eine Halbzeit lang rechts. So offensiv ausgerichtet war der VfL lange nicht. Und so viel Fußball wurde lange nicht gespielt. „Das beste Spiel, seit ich in Wolfsburg bin, vor allem die erste Halbzeit“, findet Augenthaler. Da hatte Nationalspieler Mike Hanke (14., 37.) den VfL zweimal in Führung gebracht, bei einem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Kießling (29.)

Nach dem Wechsel sah Augenthaler „Angst, zu gewinnen“. Oder nach acht sieglosen Spielen den fehlenden Glauben daran, dass die Möglichkeit tatsächlich bestand. Freundlicherweise hat Gegner Bayer Leverkusen mitfühlend dazu beigetragen, die Ängste abzubauen. Direkt nach dem zweifelhaften 2:2 (71., Eigentor van der Heyden) ließ man das 3:2 durch Klimowicz (72.) verpassen. Und vergab sich durch Freiers Rot (74.) alle Chancen.

Nun kann man praktisch von jedem Pflichtspiel-Sieg sagen, dass er „besonders wichtig“ war. Doch dieser bringt nicht nur etwas Luft nach hinten. Es war erst der dritte Heimsieg der Saison, aber (nach zweimal 1:0) der erste mit Spektakelfaktor und somit ein Versprechen. Schade, dass es kaum einer gesehen hat, aber letztlich auch folgerichtig: Der VfL hatte zuletzt die VW-Arena leer gespielt.

Und nun? Hat der langjährige Torgarant Diego Klimowicz wieder die Lieferung aufgenommen. Steht der eben noch angezählte Nationalspieler Hanke mit acht Saisontoren plötzlich so gut da wie noch nie. Dafür allerdings hat man in jedem der drei Rückrundenspiele zwei Gegentore geschluckt. „Wir werden nicht in jedem Spiel drei Tore schießen können“, warnt Klaus Augenthaler.

Aber es ist zumindest wieder möglich. Und das ist doch auch schon etwas.