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Jetzt klagt Humboldt-Uni gegen Senat

■ Verwaltungsgericht muß entscheiden, ob die Abwicklungsbeschlüsse der Landesregierung haltbar sind/ Humboldt-Juristen sehen Verfahrensfehler/ Autonomie würde untergraben sein

Berlin. Während einige Studenten der Humboldt-Universität auf ihrem Marsch nach Leipzig weiter zu Fuß gegen die Senatspläne zur sogenannten Abwicklung zahlreicher Uni-Bereiche protestieren, bemüht sich die Leitung der Universität, nun auf rechtlichem Weg ihre Forderungen durchzusetzen. Mit der Verwaltungsklage, die Humboldt-Rektor Heinrich Fink noch am letzten Tag des vergangenen Jahres eingereicht hatte, beantragt die traditionsreiche Hochschule Unter den Linden die Aufhebung der Entscheidungen der Senatsverwaltung. Denn durch Abwicklungsbeschlüsse der Landesregierung wird »in das Selbstverwaltungsrecht der Uni eingegriffen«, begründet der Uni-Kanzler Karl Schwarz die Klage. Dafür aber gebe es nach Schwarz' Ansicht keine Rechtsgrundlage, weil zum einen das Mantelgesetz die Überführung der Humboldt-Universität als Kuratorialhochschule regelt. Durch das Kuratorialmodell erhält die Universität gegenüber dem Staat eine besondere Selbstverwaltungsposition. Zum anderen habe die Uni dieses Selbstverwaltungsrecht durch den Einigungsvertrag erhalten, weil mit diesem Vertragswerk auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR das Grundgesetz gilt — und zwar seit dem 3. Oktober.

Ein weiterer Grund zur Klage ist für Schwarz, daß nach den Buchstaben des Einigungsvertrages nur ganze Einrichtungen abgewickelt werden können, aber keine Teileinrichtungen wie z.B. einzelne Fachbereiche. Für personelle Veränderungen — die ohne Wenn und Aber von der Uni-Leitung und auch von den Studenten befürwortet werden — sehe der Einigungsvertrag das Mittel der ordentlichen Kündigung vor. Die kann vorgenommen werden, wenn das Aufgabengebiet für jemanden wegfällt oder wenn er für neue Aufgaben aus fachlichen Gründen nicht in Frage kommt. Schwarz gesteht ein, daß die Überprüfung jedes Einzelfalls viel komplizierter und langwieriger ist als das radikale Vorgehen durch die Abwicklung. Nur so würde der notwendige Prozeß der Vergangenheitsbewältigung auch mit den Betroffenen möglich sein. Mit der Abwicklung jedoch würden die Kernbereiche der Universität von der Exekutive neu aufgebaut, ohne daß die Beteiligung der Hochschule irgendwie rechtlich geregelt wird. Schwarz hält das für ein einzigartiges Vorgehen in der neueren Universitätsgeschichte. Die Uni soll, so sieht es der Senat vor, zwar bei der Neugestaltung angehört werden. Weil aber die Arbeitsverhältnisse bis zum Abschluß befristeter Verträge ruhen, existieren die entsprechenden Gremien nicht mehr.

Die Zeit, die jetzt für einen Neuanfang an der Universität bleibt, hält Schwarz für irreal. Bis zum Oktober sollen die neuen Fachbereiche entstehen. In der Senatsverwaltung konnte auf die Klage noch nicht reagiert werden. Die Neujahrpost, so die Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung, Christine Richter, war noch nicht aufgemacht. Anbau

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