: Jetzt ist Erich ein armer Mann
■ Berliner Gericht entscheidet: Stasi-Chef Mielke hat sein Vermögen zu Recht verloren
Berlin (taz) – Eines stellte Richter Klaus Peé gleich zu Anfang klar: „Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.“ Das Berliner Verwaltungsgericht sehe keine Notwendigkeit, dem Kläger, Stasi-Chef Erich Mielke, die Prozeßkosten zu erstatten. Mielkes Rechtsanwalt Stefan König nahm die Entscheidung gelassen zur Kenntnis, Klaus Peé drehte lässig weiter seine Brille, und eine Journalistin meinte: „Mit dem Alten habe ich kein Mitleid.“
Bis gestern war Erich Mielke (89) ein reicher Mann mit einem Kontostand von genau 765.608 DDR-Mark. Zwar hatte ein Sonderausschuß der Volkskammer schon am 27. September 1990 die drei Konten des Ministers der Staatssicherheit sperren und zugunsten der Staatskasse einziehen lassen. Die Begründung: Mielke habe Staatsgelder zu Unrecht für persönliche Zwecke mißbraucht, habe sich die Gelder zum Nachteil der Gesellschaft und des Gemeinwohls angeeignet. Grundlage für diesen Beschluß war das „Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben“, das die Präsidentin der DDR-Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, im Juni 1990 unterschrieben hatte.
Nach der Vereinigung am 3. Oktober 1990 hatte Mielke Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht und die Rückgabe der Gelder gefordert. Gestern nun befand das Verwaltungsgericht: Das Vermögen des Geheimdienstchefs ist 1990 zum größten Teil rechtmäßig eingezogen worden. Mielke hat sein Guthaben durch Mißbrauch seiner Befugnisse und gegen die guten Sitten angehäuft.
Mit ausschlaggebend für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei die Frage gewesen, so Richter Peé, ob der Geheimdienstchef das Jagdschloß Wolletz nahe der polnischen Grenze in Angermünde vorwiegend zu privaten Zwecken genutzt habe oder ob es ausschließlich ein Gästehaus des Ministeriums gewesen sei. 24 Millionen Mark hatte die DDR-Regierung im Laufe der Jahre in das Jagdschloß investiert. Mielke hatte sich hier gut eingerichtet: Farbfernseher von Philips, Stereoanlage von Sanyo und Plattenspieler von Blaupunkt. Eine große Zimmerflucht nannte er sein eigen, immer öfter kam Sohn Frank zu Besuch und quartierte sich in den geräumigen Appartements ein. Mielke selbst nutzte den 15.000 Hektar großen Wald zur Jagd. Woher er das Geld für derartige Privilegien nahm? Aus der Staatskasse, befand schon damals der Volkskammerausschuß. Rechtsanwalt König sagte, Mielke sei selbst für den Unterhalt aufgekommen. Den Betrag auf seinen Konten habe er sich aus seinem regulären Ministergehalt (zirka 12.000 Ost-Mark) zusammengespart.
Von den 765.608 Ost-Mark gestand das Verwaltungsgricht dem Exgeheimdienstchef gestern 15.000 Ost-Mark (umgerechnet 10.500 Mark) als rechtmäßig zu. Diese seien vorwiegend Rentenzahlungen gewesen und zu Unrecht sichergestellt worden. Anwalt König kündigte an, nun das Oberverwaltungsgericht anzurufen. Jens Rübsam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen