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Jesse Helms einsamer Kampf für die Pershings

Der außenpolitische Ausschuß des US-Senats berät über das Abkommen zur Beseitigung der Mittelstreckenraketen / Die Befürworter einer Ratifizierung des INF-Abkommens sind deutlich in der Mehrheit / Jesse Helms Poltereien bleiben ungehört / Neue Raketen für Europa?  ■ Aus Washington Stefan Schaaf

Der politische Streit um Abrüstung findet seit dem vergangenen Montag auf einer neuen Bühne statt, doch die Argumente sind eher althergebracht, und die Inszenierung, so befanden professionelle Beobachter wie interessiertes Publikum, entbehrt weitgehend der Spannung. So war es kein Wunder, daß die Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses des Senats in Washington über den INF-Vertrag bereits am zweiten Nachmittag vor fast leeren Rängen stattfand. Drei Wochen lang sollen dort Experten über die Konsequenzen des im Dezember von Reagan und Gorbatschow unterzeichneten Abkommens über die Eliminierung aller atomaren Mittelstreckenwaffen der Supermächte aussagen.

Die Fronten sind für Washingtoner Verhältnisse eher unge wöhnlich: die Reagan-Administration ist für den Vertrag – schließlich hat sie ihn ausgehandelt –, die Senatoren der Demokratischen Partei sind für ihn und auch die Führung der republikanischen Senatsopposition. Kritik am Vertrag übt nur noch der erzkonservative Flügel der Republikaner, und der hat mit Senator Jesse Helms aus North Carolina sein formidabelstes Mitglied aufgefahren. Drei Tage lang nervte Helms Experten und Senatskollegen mit seinen Einwänden, die dann doch sämtlich der Überprüfung nicht standhielten; Helms jedoch ließ sich nicht beeindrucken. Er will schon in den Ausschußberatungen deutlich machen, daß das Abkommen im Senatsplenum auf den erbitterten Widerstand seiner Gesinnungsgenossen stoßen wird. Kaum jemand glaubt zwar, daß das Dutzend Helms-Anhänger unter den 100 Senatoren die er forderliche Zweidrittel-Mehrheit für das Abkommen verhindern kann, doch bietet die Senatsgeschäftsordnung genug Möglichkeiten für parlamentarische Guerillamanöver, mit denen sich für unangenehme Überraschungen sorgen läßt.

Helms legte seine erste Mine bereits am Montag, als Außenminister Shultz befragt wurde. Ihm läge ein Geheimdokument vor, so Helms, aus dem hervorgehe, wie die Sowjets die US-Regierung betrügen wollten. Shultz, sichtlich ärgerlich über die Wichtigtuerei des Senators, weigerte sich, das Dokument vor dem versammelten Publikum auch nur anzuschauen. Später jedoch stellte sich heraus, daß Helms so selektiv aus dem CIA-Papier zitiert hatte, daß ein verzerrter Eindruck entstand. Am zweiten Tag hatte der Senator aus North Carolina einen neuen Pferdefuß entdeckt: durch das Ab kommen würde ja kein einziger nuklearer Sprengkopf beseitigt, empörte er sich. Dies sei richtig, wurde Helms belehrt, denn die US-Unterhändler hätten nie etwas anders gewollt als die Zerstörung lediglich der INF-Trägersysteme. Zum einen bereitet ihnen der Gedanke schlaflose Nächte, daß sowjetische Inspektoren ansonsten das Zerlegen einer US- amerikanischen Atombombe aus nächster Nähe beobachten könnten. Zum anderen gibt es Voraussagen der Reagan-Administration, daß in den neunziger Jahren das Bombenplutonium knapp werden könnte, nachdem im vergangenen Jahr zwei der fünf plutoniumproduzierenden Atomanlagen in den USA abgeschaltet und die drei übrigen auf verringerte Leistung gesetzt werden mußten.

Nicht einmal die sonst so knallharte Jeane Kirkpatrick wollte sich zu Helms ins Lager der Vertragsgegner gesellen. Zwar hält sie den Vertrag für der Sicherheit der NATO abträglich, doch der politische Schaden, den eine Nichtratifizierung des Abkommens mit sich brächte, sei größer als der militärstrategische Schaden. Schließlich wurde während des Hearings noch deutlich, wie das Pentagon sich die nukleare Nachrüstung für die pershinglose Zukunft in Europa vorstellt. In einem Report, der Mittwoch vergangener Woche dem Kongreß vorgelegt wurde, fordert Verteidigungsminister Carlucci neue nukleare Artilleriegeschosse, dann einen Ersatz für das veranstaltete Lance-System, der „größere Reichweite, bessere Zielgenauigkeit und bessere Benutzungseigenschaften“ haben müsse. Weiterhin will das Pentagon neue Boden-Luft-Raketen und mehr Atombomben für die US-Luftwaffe in Europa.

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