piwik no script img

Jerusalem feiert Geburtstag

Die EU droht mit Boykott, Orthodoxe protestieren gegen ein Konzert, und der bekannte Bühnenautor Sobol zieht sein Stück zurück  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In großen Anzeigen wird in der israelischen Presse dieser Tage auf den bevorstehenden Beginn der 3.000-Jahr-Feier Jerusalems hingewiesen. Unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister von Jerusalem und Berlin führt die Deutsche Staatsoper Anfang September Beethovens Fidelio, unter Leitung von Daniel Barenboim, im Amphitheater „Sultans Pool“ am Fuß der Mauern der Ostjerusalemer Altstadt auf.

Als Illustration erscheint in den Anzeigen der Chor der Gefangenen, der aus den unterirdischen Gewölben ans Sonnenlicht steigt. Angesichts der weltberühmten Solisten, die hier auftreten, können sich interessierte Israeli auf ein großes kulturelles Ereignis freuen.

Problematisch und sehr umstritten ist allerdings der Rahmen, in dem bei dieser Gelegenheit gerade Beethovens Freiheitsoper zu so prominenter Aufführung gelangt. Der Anlaß: Vor 3.000 Jahren gründete, biblischer Darstellung zufolge, der König David Jerusalem als Hauptstadt des damaligen Israel. Die offiziellen einjährigen Feiern mit dem Namen „Jerusalem 3.000“ sollen „das reiche kulturelle und spirituelle Erbe Jerusalems reflektieren“. Das Ministerium für Tourismus und die Stadtverwaltung erwarten, daß Hunderttausende von Besuchern aus der ganzen Welt kommen werden, um während der Feiern nachzuvollziehen, „wie sich die alte historische Stadt zu einer modernen blühenden Hauptstadt entwickelt hat“, wie es in einer Informationsbroschüre der israelischen Botschaft in Bonn heißt.

Doch die Art der Feiern stößt auf Kritik. So hat die Europäische Union (EU) nach Angaben des israelischen Außenministeriums die Regierung davon in Kenntnis gesetzt, daß sie sich von den Veranstaltungen im Rahmen von Jerusalem 3.000 distanziert, weil die jüdische Geschichte der Stadt in den Mittelpunkt gestellt werde und die islamischen und christlichen Aspekte nur am Rande vorkämen. Die Troika der EU hat Israel davon unterrichtet, daß ihre finanzielle Unterstützung der kulturellen Ereignisse gestrichen werden soll.

Außerdem kritisieren die Botschafter Spaniens, Italiens und Frankreichs die Feiern vor dem Hintergrund der Verhandlungen mit den Palästinensern. Israel gebe den Feiern einen eindeutig israelisch-jüdischen Charakter, um so den spezifisch israelischen Aspirationen in der Jerusalem-Frage Nachdruck zu verleihen, heißt es. Denn während Jerusalem für die israelische Regierung die „ewige ungeteilte Hauptstadt“ ist, reklamieren die Palästinenser den arabischen Ostteil der Stadt als Hauptstadt eines künftigen Palästina. Das israelische Außenministererium mag dem nicht folgen. Die kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen hätten mit Politik nichts zu tun, hieß es. Ehud Olmert, Bürgermeister von Jerusalem, wies die Meinung der EU- Botschafter so zurück: „Jerusalem war die israelische Hauptstadt lange vor euch und wird es auch noch lange nach dem Verschwinden eurer Proteste aus den Annalen der Geschichte sein.“

Trotzdem halten die EU-Botschafter bislang daran fest, daß ihre offiziellen Vertreter Jerusalem 3.000 boykottieren wollen, falls Israel an seinem ursprünglichen Programm festhält. In diesem Fall könnten europäische Künstler, die sich an den Festivitäten beteiligen, keine EU-Unterstützung erwarten.

Aber auch in Israel selbst gibt es Kritik. In Jerusalem fordern inzwischen die einflußreichen jüdisch- orthodoxen Vertreter im Stadtrat, daß die geplante Aufführung des Oratoriums „Christus auf dem Ölberg“ von Beethoven aus dem Programm gestrichen wird. Die orthodoxen Vertreter drohen damit, daß Hunderte von Rabbinern, die aus aller Welt kommen wollen, das Festival boykottieren.

Ganz anders lauten die Einwände des bekannten israelischen Bühnenautors Jehoschua Sobol. Er hat bekanntgegeben, daß er sein neues Stück „Die Abtrünnigen“ nicht im Rahmen von Jerusalem 3.000 aufführen lassen will, weil das Festival seiner „Weltanschauung nicht entspricht“ und sein Stück „für derlei Zwecke ungeeignet“ sei.

„Jerusalem ist eine Stadt mit einer 5.000jährigen Geschichte“, begründet Sobol seine Position. „2.000 Jahre vor dem davidischen Jerusalem haben wir dort nicht geherrscht. Jerusalem wurde 80mal erobert und jeder der 80 Eroberer hat dort seine Spuren hinterlassen. Nach meiner politischen Überzeugung sollten wir die Geschichte Jerusalems feiern und zusehen, daß die Stadt nicht wieder erobert wird. Jerusalem ist dem Judentum, dem Christentum und dem Islam heilig. Und weil dort zwei Völker leben, sollte Jerusalem meiner Meinung nach die Hauptstadt dieser beider Völker (Israeli und Palästinenser, d. Red.) sein, und dann wird es ein gemeinsames Interesse an der Wahrung des Friedens in Jerusalem geben. Zu meinem Bedauern finden die geplanten Festivitäten nicht in diesem Sinne statt und tragen nichts zur Verwirklichung dieser Vorstellung bei.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen