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■ SPD: Auf der Suche nach einer modernen WirtschaftspolitikJenseits von Schröder und Stoiber

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Gerhard Schröder, verbindet mit seinem Programm eine Botschaft – eine SPD, die Tradition und Moderne verbindet. Dafür bekam er in Hannover Applaus. Eine Partei, die Tradition und Fortschritt verbindet – so hat sich auf ihrem Parteitag vor zwei Wochen mit gleich viel Applaus die CSU gefeiert. Zyniker mögen nun über die Beliebigkeit politischer Programmatik im Zeitalter der Mediendemokratie räsonieren. Man kann allerdings auch ernsthaft die Frage stellen, ob sich zwischen Fortschritt und Moderne in diesem Fall mehr als eine semantische Differenz verbirgt.

Eine erste Antwort lautet: Nein. Schröders Wirtschaftsmodell ist tatsächlich eines der klassischen Moderne. Es setzt auf einen unspezifischen Wachstumsbegriff, wie ihn die CSU seit Jahren vorexerziert. Mit Erfolg übrigens, mißt man ihn an der sozialdemokratischen Elle der Arbeitslosenzahl. Die SPD eifert diesem Erfolg nach und wirft ihre Bedenken gegen problematische Produktionssektoren wie die Bio- und Gentechnologie zunehmend über Bord. Nimmt man seine bisherige Regierungspraxis zum Maßstab, so wird Schröder auch als Bundespolitiker in seiner Orientierung auf die klassischen großindustriellen Wirtschaftssektoren Stoiber in nichts nachstehen.

Beide halten Produktivitätszuwächse für die notwendige Voraussetzung, um die Arbeitslosenzahl zu senken. Doch läßt die sich reduzieren? Und wenn, um wieviel? Die sozialdemokratische Antwort lautet: Ja, möglichst weitgehend, dann werden sich auch die Folgeprobleme der leeren Sozialkassen minimieren. Die Tendenz auf dem Arbeitsmarkt ist allerdings eine andere: Reduzierung der klassischen Beschäftigungssektoren, Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse, ein bleibender Sockel von Arbeitslosen.

„Das darf nicht sein“, schallt es aus der sozialdemokratischen Ecke, „deshalb richten wir unsere Politik auch nicht darauf ein.“ Das wird aber notwendig sein. Deshalb müßte ein Wirtschaftsprogramm diesen Umstand erst mal anerkennen, um ihn dann gesellschaftlich, durch Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik, aufzufangen, um dann die sozialen Sicherungssysteme, aber auch die staatliche Einnahmestruktur zu reformieren.

Dies wäre eine markante Differenz zwischen sozialdemokratischer Moderne und christsozialem Fortschritt. Sie würde bei der SPD zu weiteren, die Moderne eigentlich überwindenden Positionen passen. Die SPD will ein Ende der Risikotechnologie Kernenergie, und sie räumt der Okölogie mehr Raum in ihrem Programm ein. Daraus resultiert allerdings noch kein höherer Stellenwert. Faktisch ist es mit dem postulierten Gleichklang von Ökologie und Ökonomie – siehe die aktuelle Debatte um Mehrwert- und Mineralölsteuererhöhung – nicht so weit her.

Wenn man diese notwendigen strukturellen Veränderungen im wahrsten Sinne des Wortes mit in Rechnung stellt, erst wenn man zudem die Lasten für die kommenden Generationen durch eine restriktive Haushaltspolitik begrenzt, läßt sich eine annähernd ehrliche Debatte um die gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums führen. Es ist eine Diskussion um die Verteilung des Mangels, dessen wahre Dimension erst offenbar sein wird, wenn nach der Bundestagswahl ein Kassensturz gemacht wird.

Diese Debatte wird von den Konservativen kaum geführt, statt dessen setzen sie auf Sozialabbau. Die Gegenposition kann sich nicht in einem „Oben nehmen und unten geben“ erschöpfen. Das ist zwar gute SPD-Tradition, aber nicht ausreichend.

Lafontaine hat diese Tradition gegen die Wirtschaft in Stellung gebracht und so dem Parteitag seinen Stempel aufgedrückt. Schröder hat sie um die Erfordernisse des Produktivitätszuwachses ergänzt und damit seinen Stempel hinzugefügt. Diese Gegenüberstellung mag zwar die Kandidaten jeweils profilieren, heraus kommt allerdings bestenfalls eine Kombination von Tradition und Moderne. Dabei käme es doch darauf an, weniger eine moderne als vielmehr eine zukunftsfähige sozialdemokratische Wirtschaftspolitik zu formulieren. Dieter Rulff

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