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Jelzin will Militäraktionen im Kaukasus stoppen

■ In Tschetschenien sollen seit letzter Nacht die Waffen schweigen. Russischer Präsident schließt Verhandlungen mit Rebellenführer Dudajew nicht mehr aus

Moskau (rtr/AFP) – Elf Wochen vor den Präsidentschaftswahlen kündigte der russische Staatschef Boris Jelzin gestern in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache das Ende der Offensive in Tschetschenien an. „Am 31. März um Mitternacht werden die Militäraktionen gestoppt“, sagte Jelzin. Truppen aus den friedlichen Gebieten Tschetscheniens sollten schrittweise an den Rand der Kaukasusrepublik zurückgezogen werden. Der Plan dafür sei bereits festgelegt. Demgegenüber kündigte der Präsident ein hartes Vorgehen gegen kampfbereite Rebellen an: „Wir werden keinerlei Terroraktionen dulden, sondern darauf angemessen antworten“, sagte Jelzin.

Überdies stellte der russische Präsident einen Sonderstatus für die Kaukasusrepublik in Aussicht. Dafür sei Moskau sogar bereit, über Vermittler Verhandlungen mit der Dudajew-Seite aufzunehmen. Als Vermittler könnten nach Ansicht von Experten Politiker aus südrussischen Republiken, die prorussische Regierung Tschetscheniens oder europäische Organisationen dienen.

Als weitere wichtige Aufgabe bezeichnete Jelzin die Durchführung von freien und demokratischen Wahlen für ein tschetschenisches Parlament. Um die Wahlen vorzubereiten, soll ein politisches Friedensforum gebildet werden, an dem Vertreter des gesamten tschetschenischen Volkes teilnehmen sein sollen.

Ein Anführer der tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfer, Aslambek Abdulchadschijew, sagte in einer ersten Reaktion, Jelzin könne nichts ohne die Zustimmung des tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew unternehmen. Auch die russischen Soldaten in Grosny reagierten zunächst skeptisch: „Das ist toll. Ich glaube es aber noch nicht“, sagte einer von ihnen.

Unterdessen setzten die russischen Truppen gestern nachmittag ihre Angriffe auf Dörfer im Süden Tschetscheniens fort. Nach russischen Berichten lieferten sich Soldaten und Rebellen heftige Kämpfe in dem Gebiet um das fast völlig zerstörte Dorf Perwomaiskoje im Süden des Landes. In der Nähe des Dorfes Samaschki im Westen berichteten Bewohner von Angriffen der Armee, bei denen der Ort fast völlig dem Erdboden gleich gemacht worden sei. In Wedeno, 50 Kilometer südöstlich von Grosny, hatten in der Nacht zuvor die Rebellen nach eigenen Angaben einen russischen Vorstoß abgewehrt. Seite 8

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