piwik no script img

Jeder gestaltet, wie er will

■ Heute beraten IG Metall und Arbeitgeber über das „Bündnis für Arbeit“. Zwickel hofft, Murmann knurrt, und die Politiker denken erneut über den Standort nach

Hamburg (dpa) – Beim ersten Treffen für ein „Bündnis für Arbeit“ an diesem Montag hofft IG- Metall-Chef Klaus Zwickel auf konkrete Zusagen der Arbeitgeber für einen Beschäftigungspakt. Koalitionspolitiker wiederholten am Wochenende ihren Willen, die Bemühungen um einen Abbau der Massenarbeitslosigkeit politisch mit Programmen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu unterstützen. Und SPD-Chef Oskar Lafontaine pflichtet der Umgestaltung des Sozialstaats bei.

Bei den Gesprächen mit den Arbeitgebern, die in Gravenbruch bei Offenbach stattfinden, will die IG Metall in einem ersten Schritt erreichen, daß Mehrarbeit künftig von der ersten Überstunde an mit Freizeit ausgeglichen werden kann. Damit sei kurzfristig das größte Potential für Mehrbeschäftigung zu mobilisieren, sagte Zwickel gegenüber der dpa. Allein 1995 habe es schätzungsweise 234 Millionen Überstunden gegeben. Spätestens bis zum Kanzlergespräch am 23. Januar müsse klar sein, ob zumindest in der Metall- und Elektroindustrie die Gespräche konstruktiv weitergingen.

Arbeitgeberpräsident Murmann knurrt schon

Zwickel hatte Anfang November vorgeschlagen: Falls die westdeutsche Metall- und Elektroindustrie im laufenden Jahr 100.000 Arbeitsplätze schafft und 10.000 Langzeitarbeitslose einstellt, werde die Gewerkschaft Anfang 1997 eine reale Nullrunde akzeptieren. Die Gewerkschaft ist bereit, das „Bündnis für Arbeit“ nach diesem Prinzip auf drei Jahre auszudehnen. Darüber hinaus verlangt sie, daß die Bundesregierung den Sozialabbau beendet.

Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann lehnte gegenüber der Agentur erneut verbindliche Zusagen der Arbeitgeberverbände über neue Arbeitsplätze ab. Wenn allerdings Kosten und Bedingungen stimmten, werde der einzelne Unternehmer neue Arbeitskräfte einstellen. Voraussetzung sei ein radikaler Kurswechsel in der Tarifpolitik. „Wenn die Gewerkschaften hier nicht mitspielen, werden weitere Arbeitsplätze abgebaut oder ins Ausland verlagert“, warnte er.

IG-Metall-Vize Walter Riester sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, daß seine Organisation eine Vereinbarung über eine vierteljährliche Arbeitsplatzbilanz anstrebt. Es müsse regelmäßig kontrolliert werden, in welchem Umfang die geforderten zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen werden. Ihren Fortlauf nahm die Diskussion um den Standort Deutschland. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) sagte, das Programm für Wachstum und Beschäftigung, das die Regierung Ende Januar vorlegen wolle, müsse „drei harte Themen“ angehen: Senkung von Steuern und Abgaben, Kostensenkung in den Sozialsystemen und Flexibilisierung der Arbeit. Finanzminister Theo Waigel (CSU) will mit Ländern und Gemeinden einen „nationalen Stabilitätspakt“ vereinbaren. Neue Ausgaben dürften nur getätigt werden, wenn der gleiche Betrag an anderer Stelle eingespart werde. In einem Brief an die Mitglieder spricht sich SPD-Chef Lafontaine für eine Modernisierung des Sozialstaates aus. Einen Sozialabbau lehnte er jedoch ab. Es sei notwendig, Steuern und Abgaben schrittweise zu senken.Siehe Querspalte Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen