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■ NormalzeitJeder Stuß – ein Russ'!

Beim Besuch des Moskauer Regiermeisters Jurij Lushkow, der von seinem Stellvertreter und Dezernenten begleitet wurde, war eine in Berlin lebende Ukrainerin als Dolmetscherin zur Betreuung der mitgereisten Gattinnen abgestellt worden. Diese erwiesen sich jedoch schnell als so dermaßen arrogant und „undemokratisch, Typ: Bergmann- Pohl“, daß ihre allzu selbstbewußte Betreuerin schließlich ausgewechselt werden mußte.

Der neue Protokollchef von Diepgen zeigte sich solidarisch mit seiner Honorarkraft: er teilte sie kurzerhand dem Betreuungstroß der Ehemänner zu. „Die Damen haben einen Distinktionswillen wie Neureiche, das gilt im übrigen auch für die Umgebung von Bambipreisträger Jelzin“, meint ein belorussischer Beobachter der Moskauer Visite, der überdies das zu enge Programm bemängelte: „Es umfaßte Wirtschaftskontakte, Sicherheitsfragen und – wegen der baldigen Wahlen – demokratische, äh, Verfahrensprobleme“.

Während man sich im Roten Rathaus über den neuen russischen Elitismus wundert, pflegt man in der grauen Treuhand immer noch das alte Zerrbild vom sittenlosen Sowjet: Als die Russen jüngst einen Betrieb in Pirna übernahmen und zur Vertragsunterzeichnung anreisten, machte sich Abwicklungs-Direktor Ludwig Tränkner – ein wegen versuchter Bestechung vorbestrafter Burda-Journalist mit Kreissekretärs-Despotenallüren, der seiner Truppe regelmäßig korpsgeiststärkende Amüsier-Exkursionen verordnet und eine äußerst aufschlußreiche Treuhand-Zeitung, das „Liquidatoren-Info“ redigiert – sofort Gedanken, wie sein „Team“ auf die Schnelle für die Geschäftspartner aus Moskau ein Bordell vom Feinsten und Wodka in Strömen auftreiben könnte ... „Es war wie eine Szene aus dem 1929er-Film ,Ein Yankee im Land der Bolschewiki‘, der gerade im Arsenal lief“, so mein tapferer Treuhand-Informant Flat („Freddy“) Throat.

Eher an eine US-Hospital-Serie erinnerte dagegen die Szene, die sich vor einiger Zeit im Klinikum abspielte: Dort lag ein Rigaer Professor im einen Zimmer und der Besitzer einer Berliner Bäckereikette im anderen daneben. Immer wenn es nachts Krach gab, beruhigte man sich im Schwesternzimmer gegenüber: „Das ist nicht der Russe, da tobt bloß wieder der Thoben!“ Dieser war nämlich in ein Swimmingpool gesprungen, in dem sich kein Wasser mehr befunden hatte.

Bei der Heilung seines schweren Gehirntraumas durchlief er – regelgetreu – im Zeitraffer noch einmal alle frühkindlichen Entwicklungsschritte – dazumal just die Trotzphase: mit Bockigkeit und allen kindlichen Schikanen.

Ich könnte nolens volens noch ein paar weitere Russen-Geschichten hier kolportieren, aber wie leicht kommt man dabei ins schlechthinnig Schlögelhafte.

Ein wegen vollendeter Fahnenflucht vorbestrafter „Rote Fahne“-Korrespondent

Wird fortgesetzt

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