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Jeden Morgen Tote vor dem Haus

■ Somalias Hauptstadt Mogadischu bekam die erste UNO-Lebensmittellieferung seit sechs Monaten

Mogadischu (afp) - „Jeden Morgen finden wir Tote vor unserem Haus“, berichtet Mohamud Mohomed, ein Angestellter im öffentlichen Dienst von Mogadischu. „Einige wurden erschossen, andere sind verhungert. Jeder in Mogadischu ist bewaffnet, und sie töten dich wegen einer Uhr oder einer goldenen Kette“, erzählt er. „Letzte Woche sah ich, wie eine Frau auf der Straße vor Hunger zusammenbrach. Sie starb — und mit ihr ihr acht Monate altes Baby, das sie bis zum Schluß an ihrer Brust hielt.“

Um am Leben zu bleiben, bricht der 59jährige Mohamud ein strenges somalisches Tabu. Er ißt Fisch, den es an der 5.000 Kilometer langen Küste Somalias reichlich gibt. „Ich versuche meine Nachbarn zu überzeugen, ebenfalls Fisch zu essen, aber sie würden lieber verhungern“, sagt er. „Das ist unsere Nomadentradition. Wir ernähren uns von Milch und Fleisch — oder wir warten auf das Schiff des Roten Kreuzes.“

Letzte Woche kam die erste große Schiffsladung mit Weizen, Reis, Linsen und Pflanzenöl seit fast sechs Monaten in der somalischen Hauptstadt an. Doch die Nahrungsmittel, die von der UNO und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gespendet wurden, kamen für viele zu spät. „Jeden Tag sterben Hunderte“, sagt David Shearer vom „Save the Children Fund“. Die Hilfsorganisation versorgt in Mogadischu jeden Tag rund 12.000 halbverhungerte Kinder mit dem Notwendigsten. Weitere 16.000 Kinder werden in Einrichtungen der UNO ernährt.

Auch für die fünfjährige Hakima kommt die Hilfe vielleicht zu spät. Fliegen umschwirren ihr Gesicht und ihre Brust, die mit offenen Wunden bedeckt sind. Ihr Bauch ist vom Hunger geschwollen. Das Mädchen hat den zehntägigen Marsch ihrer Familie durch das ausgedörrte Buschland von Somalia überlebt. Kamelhäute und Bananenschalen waren ihre einzige Nahrung. Zwei ihrer Geschwister starben kurz nach der Ankunft in Mogadischu. Die Familie von Hakima war aus ihrem 180 Kilometer entfernten Dorf geflohen, nachdem Bewaffnete ihr Haus in Brand gesteckt und ihr Vieh abgeschlachtet hatten. Nun sind sie zusammen mit 500 anderen Familien in einem ehemaligen Zollspeicher im Norden Mogadischus untergebracht.

Nach UN-Schätzungen sind nahezu eine Viertelmillion der rund 1,2 Millionen Menschen in Mogadischu Flüchtlinge aus dem eigenen Land. Seit dem von der UNO vermittelten Waffenstillstand ist es relativ ruhig auf den Straßen Mogadischus. Trotzdem sind noch alle paar Minuten Schüsse zu hören. In der vergangenen Woche wurde auf Druck der UNO der seit Beginn der Kämpfe geschlossene Hafen Mogadischus wieder geöffnet. Nach dem Eintreffen der jüngsten Hilfslieferungen fiel der Preis für ein Kilo Reis um die Hälfte.

Seit Januar haben die Hilfsorganisationen und das IKRK 70 Millionen Dollar für Somalia ausgegeben. Von einigen Mitarbeitern bekommen die Organisationen trotzdem Vorwürfe: Die Nahrungsmittel würden vor allem den Kämpfern der Bürgerkriegsarmeen zugute kommen, während die Hilfsorganisationen die kriegführenden Parteien auch noch für den Schutz der Lieferungen bezahlten. Der UN-Sonderbeauftragte für Somalia, Mohamed Sahnun, hält von diesen Argumenten nicht viel. Für ihn sitzen die Hauptverantwortlichen für die Konflikte woanders: „Vorwürfe muß man vor allem den Supermächten machen, die während des Kalten Krieges Waffen und Geld in das Land einströmen ließen“, meint er. Auch jetzt noch kämen trotz des UN-Embargos Waffen in das Land. David Chazan

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