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Jede vorhandene Teigschüssel wird genutzt

■ Wie bereiten sich Hamburgs Pizza-Services auf die Fußball-Europameisterschaft vor? Folke Havekost schaute sich bei den großen und kleinen Teigfladen-Bringdiensten um

Wer ordentlich Fußball guckt, soll auch ordentlich essen. Während Bundesberti mit den Seinen noch fleißig für eine gelungene England-Performance übt, stellt sich für die daheimgebliebenen Anhänger jeglicher Couleur die fundamentale Frage nach der Nahrungsmittel-Versorgung: Wer bereitet das Brot während der Spiele?

Für die mobilen Anbieter belegter Teigfladen italienischer Provenienz hat längst die heiße Phase der Vorbereitung auf die morgen beginnende Fußball-EM begonnen. „Normalerweise arbeiten abends zehn Fahrer für uns, jetzt werden es wohl vierzehn bis sechzehn sein“, taxiert Frau Rix, Leiterin der Eimsbütteler Filiale von Joey's Pizza Service, den Mehrbedarf bei entsprechend attraktiven Begegnungen. „Eine gewisse Umsatzsteigerung haben wir aber immer, wenn Fußballspiele live im Fernsehen übertragen werden.“ Ein besonderes Angebot für Pizza- und Ballabhängige gibt es während der bis zum 30. Juni stattfindenden EM jedoch nicht.

„In den Spitzenzeiten, vor allem, wenn Deutschland spielt, werden wir bis zu 35 Prozent aufstocken müssen“, mutmaßt Herr Graetz von der Zentrale der Smiley's Pizza Profis, „sowohl in der Küche als auch bei den Fahrern.“ Nachdem die Kette bei der WM '94 „einmal zusammengebrochen“ war, soll die Logistik nun en detail geplant werden. „Wir werden viel mehr Teig vorbereiten, jede vorhandene Schüssel nützen“, kündigt Graetz an, der die vermeintlich wichtigste Maxime erkannt hat: „Der Fußballfan möchte sich um nichts kümmern, sondern schnell seine Pizza haben.“ Rascher Zugriff ist wichtiger als Extra-Angebote.

Eine spezielle EM-Pizza hat niemand kreiert, vermutlich, um nicht auf falsche Farben zu setzen, die vielleicht schon nach der Vorrunde aus der Mode gekommen sind. Für die italophile Fraktion der Pillenkick- und Pizzakonsumenten bleibt so nur der Rückgriff auf die klassische Margherita, für die Alemannen eine verkohlte Mais-Tomaten-Mixtur – mit Nationalfarben kann man sich schnell die Finger verbrennen und den Appetit verderben. Herr Graetz von Smiley's nährt jedoch auch die These, daß viele Pizza- und Fußballiebhaber Traditionalisten sind. „Der Fan hat seine Lieblingspizza, da bringt es wenig, wenn wir etwas Spezielles anbieten, vielleicht mit Spinat, damit sie möglichst grün ist.“ Statt dessen hat Smiley's einen Flyer mit Spiel-terminen unter die Hungrigen gebracht, als „Kundenservice“.

„Wir wissen genau, an welchem Tag, wieviel los ist“, behauptet Ahmed vom Barmbeker Pizza-Taxi. Daß der Kampf ums Leder für die Gastronomie seine Tücken hat, weiß er bereits von den allwöchentlichen Vereinsspielen. „Wenn St. Pauli oder HSV spielen, sind alle im Stadion und bestellen nichts. Haben sie gewonnen, rufen viele an, aber wenn sie verloren haben, ist gar nichts los.“ Die EM scheint da schon kalkulierbarer. Jedenfalls wird Ahmeds Laden mit festem Küchen- und Fahrerpersonal während der EM nicht aufgestockt.

Nämliches würde sein gleichvornamiger Kollege von Fly Pizza in Farmsen liebend gerne tun, „nur wir können nicht. Wir sind ein Kleinbetrieb mit drei oder vier Leuten.“ Lediglich eigene Handzettel werden als EM-Reklame verteilt. Das klingt mehr nach Stammkundschaft als nach Vorbereitung auf den telefonischen Ansturm versammelter TV-Stammtische. „Wir würden es ohnehin nicht schaffen, eine große Party zu beliefern.“

Bei der Organisation fürs sportliche Großereignis geraten jedoch die Hauptleidtragenden leicht aus den Augen. Am schlimmsten dran sind die fußballbegeisterten Lieferanten, die während der entscheidenden Minuten das heiße Backwerk zum Besteller bringen müssen.

Nicht nach Trinkgeld, nach Zwischenergebnissen steht den motorisierten Kellnern der Sinn, die hin- und herjagen und doch vom Informationsfluß ausgeschlossen sind. Herr Graetz, vor einigen Jahren selbst noch Fahrer, gerät allerdings ins Schwärmen: „Die ganze Stimmung während solcher Turniere ist unheimlich witzig.“ Im Kleinen wenigstens kann abgeholfen werden. „Wir haben einen Fernseher im Laden stehen, damit die Fahrer wenigstens etwas mitbekommen“, sorgt sich Frau Rix ums Wohlergehen des Joey's-Personals. Solange darunter nicht die Lieferzeiten leiden, sei den Pizza-Flitzern diese kleine Verschnaufpause vergönnt.

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