: Japans Krise verstehen
betr.: „Im Globalisierungsstress“, Kommentar von André Kunz, taz vom 13. 3. 01
[...] Zwar mag es wünschenswert sein, dass in die starren Strukturen in Japan ein wenig Bewegung hineinkommt – als Ursache für die bestehende schwere Wirtschaftskrise taugt diese neoliberale Sicht auf die Dinge allerdings nur wenig. Genauso ist die Feststellung, dass die Japaner wohl zu harmoniebedürftig seien, an dieser Stelle ein wenig fehlplaziert.
Die sozioökonomischen Strukturen sind und waren in Japan auf Arbeit ausgerichtet, nicht auf Korruption und zu Ineffizienzen führender Vetternwirtschaft! Es ergibt zwar durchaus Sinn, Wirtschaftskrisen mit bestehenden starren Strukturen zu begründen, doch muss dabei auch ganz klar werden, weshalb diese zu Ineffizienzen oder anderen wirtschaftlichen Problemen führen. Wer aber Japans Krise verstehen will, tut besser daran, sich ein wenig mehr mit den monetären Strukturen und Vorgängen zu befassen, um erst einmal überhaupt eine Antwort auf die Frage zu bekommen, weshalb Japan in eine solche Krise geraten konnte. Japan ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges das Industrieland mit der höchsten Sparquote gewesen, und dem gewaltigen Sparvolumen standen eben auf einmal nicht mehr genug saubere Investitionsmöglichkeiten (gute Kredite) gegenüber, die diese Mittel alle hätten binden können! Die Folge waren in den 80ern die „Spekulationsinvestitionen“ gefolgt von der Tendenz, auch sonst immer schlechtere Kredite zu vergeben. Als diese zum Teil ausfielen, aber immer noch nicht genügend Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung standen, waren die Folgen programmiert: Das Geld blieb liegen, die Geldumlaufgeschwindigkeit sank und Japan kam dort an, wo es nach wie vor ist: in einer Deflationskrise. Die Null-Zins-Politik der Bank of Japan war hierbei immer nur eine halbherzige Antwort auf die Frage, wie den gewaltigen monetären Problemen begegnet werden könne. Es reicht nicht aus, nur die Refinanzierung der Banken zu verbilligen. Solange Geld nicht altert, sind die Möglichkeiten einer Zentralbank, die langfristigen Zinsen entscheidend zu senken, eben sehr beschränkt. Die einzige vorerst sinnvolle Antwort auf die Krise wird deshalb in einer gezielten Inflationspolitik liegen, sei sie durch die Bank of Japan selbst oder durch das Konsumverhalten der Japaner hervorgerufen. Solange aber die Null-Zins-Politik keine glaubwürdige Inflationspolitik darstellt, bleibt die Geldpolitik, was sie vermutlich fast schon immer war: behütet vom Glauben an die „Neutralität des Geldes“ und Preisniveaustabilität der Auslöser und der Hüter der Krisen.
MATTHIAS KLIMPEL
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen