: Japanischer Jumbo-Kredit für China
Während in den USA noch über die Beziehungen zu China gestritten wird, machen japanische Banken Politik und vergeben zwei Milliarden Dollar an die Machthaber in Peking ■ Aus Tokio Georg Blume
Nippons Banken frönen dem politischen Streit in Washington. Statt abzuwarten, welches Ende die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Kongreß in den USA um die Handelsrichtlinien mit China nehmen, konnten sich Japans mächtige Bankhäuser nicht verkneifen, der alternden Hegemonialmacht klar zu machen, wer heute über den Welthandel bestimmt: Zwei Milliarden Dollar Kredit stellten japanische Banken den angeschlagenen Machthabern in China jetzt zur Verfügung. Dies ist bei weitem die größte Geldmenge, die seit dem Pekinger Massaker am 4.Juni aus ausländischer Hand ins Reich der Mitte fließt. Vereinbart wurde der Geldtransfer, an dem sich 67 japanische Banken, darunter die Mitsubishi Bank beteiligen, bereits 1985. Doch wurde die Auszahlung des Kredits von chinesischer Seite erst in diesem Monat angefragt. Ein Sprecher der Mitsubishi Bank in Tokio begründete das Geldgeschäft am Mittwoch mit „Vertragsverpflichtungen“. Doch besteht für die japanischen Vertragspartner kein Anlaß zur Eile, da die Gültigkeit des Kreditvertrages bis Ende 1990 läuft, der Auszahlungszeitpunkt aber nicht festgelegt worden war.
Offenbar wollten die japanischen Banken auch mit Blick auf den Washingtoner Streit um den China-Boykott ein eigenes politisches Signal setzen. Es fällt auf den Tag genau zusammen mit der Ankündigung der US-Regierung, drei für China bestimmte, nach dem 4.Juni aber zurückgehaltene Kommunikationssatelliten im Wert von 300 Millionen Dollar nun doch auszuliefern. Insofern wird die auffällige zeitliche Übereinstimmung der US-amerikanischen und japanischen Offerten an Peking vor allem den Kongreß in Washington weiter verärgern.
Nicht anzunehmen ist, daß sich die Tokioter Regierung den Bemühungen zur wirtschaftlichen Wiederannäherung mit China widersetzt, obwohl sie genau dies auch jetzt wieder bekundete. Das japanische Finanzministerium bezeichnete die Kreditvergabe als „Privatinitiative“ der japanischen Banken. Zwar könne man kommerzielle Kredite gesetzlich nicht verbieten, wohl aber habe der Finanzminister bisher davon abgeraten. Demgegenüber hatte der japanische Regierungschef Kaifu erst vor kurzem verkündet, er werde sich auf seiner Europareise im Januar für eine Lockerung der westlichen Boykottmaßnahmen gegenüber China einsetzen.
Weil die politischen Entwicklungen längere Zeit brauchen, und weil sich die Weltbank bisher immer noch weigert, neue Kredite an China zu vergeben, kommt die Entscheidung der japanischen Banken den Pekinger Machthabern wie gerufen. Die hatten schon vergangene Woche zur Notbremse greifen müssen, als sie die eigene Währung, den Yuan, um 21,2 Prozent gegenüber dem US-Dollar abwerteten, um das chinesische Exportgeschäft zu erleichtern. Denn die Devisennot nach den Einbrüchen im Tourismus- und Kreditgeschäft ist in Peking groß, zumal die Regierung bisher an den vereinbarten Kreditrückzahlungen festhält. Auf annährend 44 Milliarden US -Dollar beläuft sich die chinesische Gesamtverschuldung im Ausland. Etwa die Hälfte davon stammt aus japanischer Hand. Deswegen sind die Pekinger Regierenden noch lange nicht zu Konzessionen in Menschenrechtsfragen bereit. Aber das fordern auch Nippons Banken nicht. Sie leihen lieber weiter.
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