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Jagdszenen in Trier

■ Staatsanwaltschaft durchsucht Privatsender nach einer Presseerklärung der Grünen / Erklärung betraf Beugehaftbeschluß gegen den Regionalbeauftragten der Grünen im Bundestag, Ewald Leonhard–Adams, der sich weigerte, den Namen eines Vobos bekanntzugeben

Aus Trier Felix Kurz

Dem Trierer Regionalbeauftragten der, Grünen Ewald Leonhard– Adams, überkam am vergangenen Freitag nachmittag ein vertrautes Gefühl, als sich mal wieder zwei Staatsanwälte und acht Kriminalbeamte in den Räumen des Grünen–Büros in der Lindenstraße breitmachten. Den Hausdurchsuchungsbefehl, ausgestellt durch einen Trierer Amtsrichter, hatten die ungeliebten Eindringlinge gleich mitgebracht. Wegen des Verdachts der Beleidigung gegen den 34jährigen Grünen hatte das Gericht die Durchsuchung der Parteigeschäftsstelle angeordnet. Kurz darauf kreuzte ein Staatsanwalt mit Kripobeamten und Hausdurchsuchungsbefehl beim privaten bürgerlichen Rundfunksender RPR in der Trierer Hindenburgstraße auf. Den anwesenden Redakteur pfiff der Staatsanwalt gleich an, daß für die Dauer der Durchsuchung im eigenen Studio jegliche Ton– und Bildaufnahmen verboten seien. Dann machten sich die Beamten über die verschiedenen Archive des Senders her. Zur gleichen Zeit war Ewald Adams, begleitet von drei Kripobeamten und einem anderen Trierer Staatsanwalt, in einem Polizeiauto auf dem Weg in seine Wohnung. Auch die, so hatte es das Gericht artig auf Wunsch der Verfolgungsbehörde angeordnet, sei zu durchsuchen. Jagdszenen in Trier. Das Großaufgebot war hinter einer Presseerklärung des Grünen Kreisverbandes Trier–Saarburg vom 20.8.1987 her. Darin hatten die Grünen die Verhängung der Beugehaft (die taz berichtete mehrmals) durch die Trierer Justiz gegen Ewald Adams erneut heftig kritisiert. Gegen den Grünen hatte das Trierer Landgericht eine Beugehaft bis zu sechs Monaten angeordnet, weil er sich nach wie vor weigert, den Namen eines Mannes zu nennen, der auf einer öffentlichen Kundgebung am 27.Mai in Trier von einem Volkszählungsbogen die Nummer abgeschnitten haben soll. Das sei ein öffentlicher Aufruf zur Begehung von Straftaten, so die Staatsanwaltschaft. Obwohl der „Bogenzerstörer“, ein bekannter Trierer Betriebsrat, sich im Verlauf einer Pressekonferenz vor einigen Wochen zu erkennen gegeben und die Kripo ihn darüberhinaus an seinem Arbeitsplatz schon vernommen hatte, setzt die Trierer Justiz die verhängte Beugehaft nun aus. Das brachte ihr von seiten der Grünen den Vorwurf ein, „Recht gebeugt“ zu haben. Diesen Vorwurf dreht die Justiz jetzt um. Es sei eine Beleidigung der dritten Gewalt. Doch ermittelt wird nicht etwa gegen den Verant wortlichen der Presseerklärung, den Trierer Kreisvorstand der Grünen, sondern gegen den Regionalbeauftragten der Grünen, der nicht einmal Vorstandsmitglied ist. Heinz–Jürgen Stolz, Sprecher des Kreisvorstandes: „Für die Presseerklärung steht der Vorstand auch gerade.“ Dennoch scheint die Trierer Justiz gegen Ewald Leonhard– Adams inzwischen eine regelrechte Hatz zu veranstalten. Das vertraute Gefühl beim abermaligen Auftauchen der Verfolgungsorgane in der Geschäftsstelle hat seinen Grund. Schon im April waren die Beamten das erste Mal in das Büro eingefallen. Sie suchten ein Flugblatt der Bundespartei der Grünen zum Volkszählungsboykott. Dort hieß es unter anderem: „Wer sich an der Volkszählung nicht beteiligt, den rufen die Boy kottinitiativen auf, ihren Fragebogen bei den örtlichen Initiativen abzuliefern, indem sie ihn durch Abschneiden der Kennummer anonymisiert haben.“ Dieser Satz war nach Ansicht der Trierer Justiz eine öffentliche Aufforderung zur Begehung einer Straftat. Mit rund 20 Hausdurchsuchungen ging die Justiz bisher gegen die Volkszählungsgegner vor. Aber auch das war noch nicht genug. Mehrere Journalisten, die bei der Pressekonferenz anwesend waren, auf der sich der gesuchte „Bogenzerstörer“ präsentierte, wurden bereits von der Justiz vernommen. Und beim Lokalblatt Trierer Volksfreund wurden die Fahnder vorstellig, um an die Presseerklärung zu gelangen, die auszugsweise von der Redaktion veröffentlicht worden war. Bei RPR hatten die Herren des Morgengrauens vor zwei Wochen schon mal vorgefühlt, ob man bei dem Sender denn auch kooperativ sei. Dem war allerdings nicht so. Die Beute der großangelegten Verfolgungsaktion vom vergangen Freitag, die nach Ansicht von Ewald Adams vor allem seiner „Einschüchterung“ dienen sollte, war ebenfalls bemerkenswert. So ließen die Fahnder alle Unterlagen zu seinem Beugehaftverfahren mitgehen, was ihn die „Wahrung seiner Rechte in diesem Fall unmöglich“ mache, meint Adams. Aber auch ein Sicherheitsbericht des AKWs Cattenom beschlagnahmte man mit der Bemerkung, es handele sich um einen Zufallsfund. Da hätten die Beamten auch leichter herankommen können. Denn den Bericht veröffentlichte bereits das Bonner Umweltministerium vor etwa einem Jahr.

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