: Jagd der Fotografen auf den Bankboten
■ Wie das Notenbankentreffen hinter verschlossenen Türen die Presse auf Trab hielt
Aus Basel Thomas Scheuer
Großer Presseandrang am Montag vor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel: In dem wegen seiner Architektur oft Turmbau zu Basel genannten Hochhaus tagen die Notenbankchefs der zehn wichtigsten westlichen Industrieländer. Normalerweise locken die monatlichen Routinesitzungen der monetären Zehner–Combo gerade ein halbes Dutzend Presseleute an. Doch an diesem Montag drängen sich Fotografen, TV–Teams und Journalisten vor dem BIZ–Eingang. Die Financal Times hat ihren Schreiber ebenso hergesandt wie die Harald Tribune. Auffallend viele japanische Kollegen tummeln sich im Pressepulk. Umgangssprache unter den Wartenden: Wirtschaftsenglisch. Das Treffen ist im übrigen so etwas wie der Ersatz für eine Konferenz der Notenbankchefs und Finanzminister der Gruppe der sieben wichtigsten Länder (G7), die von mehreren Regierungen angesichts der Turbulenzen gefordert, von Japan und der BRD aber abgelehnt wird. Das Abkommen des letzten Treffens vom Februar im Pariser Louvre, das den Dollar etwa bei 1,80 DM fixierte, gilt inzwischen als geplatzt. Die aktuelle Krise an den Aktien– und Devisenbörsen hat den Nachrichtenwert des monatlichen Rituals für die Finanzwelt wie für die Medien enorm gesteigert. Und natürlich die Tatsache, daß der erst seit August amtierende US– Notenbankpräsident Alan Green span - es ist erst das zweite Mal - in der Runde sitzt. Die Erwartungen der Journalisten sind hoch: Was wird Alan Greenspan seinen Kollegen auf die Hit–Frage antworten, bis zu welcher Marke die USA ihre Währung noch absacken lassen wollen? Werden die Notenbankgouverneure eine gemeinsame Aktion zur Stabilisierung der Devisenmärkte verkünden?; vielleicht eine Schwelle festlegen, unter die der Dollar nicht rutschen darf, ohne internationale Aktionen auszulösen? Werden sie gar eine neue Zinssenkungsrunde einläuten? Doch der Informationswert der Veranstaltung steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Erwartungshaltung des Pressepulks. Die BIZ–Verwaltung läßt die Medien draußen im Herbstnebel stehen. Nichts sickert durch, nicht einmal in der Vorhalle darf man warten. „Ich weiß gar nicht, was ich hier soll“, nörgelt der Mann von der Harald Tribune. Um die Mittagszeit künden vorfahrende Limousinen Bewegung an. Ein graumelierter Herr schiebt sich durch die Drehtür. Der Medienpulk stürtzt sich auf ihn, Blitzlichter klatschen ihm entgegen, Mikrophone erheischen Stimmungsberichte aus dem Innern des BIZ–Towers. Verwirrt kämpft sich der Mann zum Taxistand durch. Wer war es denn, fragen sich die Journalisten hinterher gegenseitig ab. Ein Pförtner klärt auf: Irgendein Angestellter, ein Bote, hat nichts mit der Konferenz zu tun. Fehlanzeige. Dann kommen sie doch noch, die Notenbankbosse höchstpersönlich. Einer nach dem andern schiebt sich schweigend durch die fragende Menge. Der Japaner Satoshi Sumita wird in die Zange genommen; er antwortet lachend - auf japanisch. Auch der deutsche Bundesbankpräsident Karl–Otto Pöhl, der den Vorsitz der Zehner– Runde innehat und sich normalerweise auskunftfreudig gibt, crawlt sich wie im Winterschlußverkauf durch den Medienauflauf. „Ach Jungs, laßt mich doch mal zu meinem Wagen durch“, ist sein einziger Kommentar. Mister Greenspan himself entkommt durch die Tiefgarage, was dem ap– Fotografen recht gefällt: Er hatte ihn bereits am frühen Morgen als einziger auf dem Weg vom Hotel zum BIZ–Silo abgeknipst. Die Journalisten warten wieder den ganzen Nachmittag hindurch in der Hoffnung auf die übliche abschließende 17–Uhr–Pressekonferenz. Sie fällt dieses Mal aus. Gegen 18 Uhr wird einem Pförtner ein dürftiges 20zeiliges Kommunique aus den Händen gerissen. Danach sind die Notenbanker übereingekommen, ihre Regierungen mittels angemessener Geldpolitik in deren Bemühen zu unterstützen, die Zahlungsbilanzungleichgewichte zu reduzieren, stabile Wechselkurse und nicht– inflationswirksames Wachstum zu fördern. Ferner begrüßen sie die jüngsten Maßnahmen der Zentralbanken (also ihre eigenen), welche eine verstärkte Zusammenarbeit auf dem internationalen Finanz– und Devisenmarkt widerspiegelten. Das wars.
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