: Jäger will Verkehr planen dürfen
■ Wer macht die Verkehrspolitik? / Wirtschaftssenator: Kein „Denkverbot“
„Gibt es denn ein Denkverbot in der Ampel-Koalition?“, fragte Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) unschuldsbewußt gestern die Journalisten. Sein Ressort hatte ein 100-Seiten-Papier zur Verkehrspolitik in Bremen an die Deputation verschickt und prompt heftige Kritik des für Verkehrspolitik zuständigen Bau- Staatsrats Lüthge geerntet. Es gehe in keiner Weise um einen „Ampel-Knatsch“, sein Ressort sei aber für Wirtschaftsverkehre zuständig und außerdem habe es bisher einen derartigen „Versuch einer Gesamtsicht“ der Probleme nicht gegeben, verteidigt Jäger die Arbeit seiner Fachleute.
Bau-Staatsrat Jürgen Lüthge dagegen bleibt verärgert, daß er per Zufall von dem Verkehrspapier erfahren hat. Er kann sich nicht vorstellen, daß keine Absicht dahinter steckt, wenn mehrere Monate an einem dicken Verkehrspapier gearbeitet wird, ohne daß das zuständige Ressort auch nur darüber informiert wird. „Eingriff in die Zuständigkeiten“ des Bauressorts sei das, im Hintergrund stehen die schwierigen Kompetenz-Abgrenzungen zwischen Bauressort (innerstädtischer Verkehr), Häfenressort („nasser Verkehr“) und Wirtschaftsressort (überregionaler Verkehr, Anbindung der Wirtschaftsverkehre).
Die Einzelpunkte des Verkehrspapiers werden von der Verkehrsabteilung in der Baubehörde gerade durchgearbeitet, es enthält flächendeckend zu allen Stadtteilen einzelne Passagen. „Mit Erstaunen“ habe er, sagt Lüthge vorab, da etwa den alten Plan einer Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße in eine „Minus-1“-Ebene der Martinistraße gelesen, ein teures Tunnel-Projekt also, während im Koalitionspapier dem Ausbau der Linie 6 (zur Uni) und der Linie 4 (nach Borgfeld) Priorität eingeräumt wird.
Eine Fußgänger-Brücke über den Wall direkt neben dem Herdentorsteinweg taucht da wieder auf, die früher schon einmal zur Belebung der notleidenden Passage im Marriot-Hotel vorgeschlagen war, das Wirtschaftsressort teilt zum wiederholten Male mit, daß es für einen von der Landesbank geplanten 10.000-Quadratemter-Bürokomplex an der Katharinenstraße und für die gewerbliche Nutzung der Hemelinger Marsch ist. Damit man das Kongreßzentrum besser besuchen kann, soll die Hollerallee „ausgebaut“ werden und eine Linksabbiegerspur zur Bürgerweide bekommen — „inhaltlich ist das meiste nicht sonderlich originell“ findet Lüthge nach flüchtiger Durchsicht der 100 Seiten.
Grünen-Fraktionsvorstand Dieter Mützelburg formuliert dasselbe etwas schärfer: „Gebündelte Altlasten“ seien da wieder auf den Tisch gelegt worden. Einiges sei vor Jahren schon in der SPD abgelehnt worden, von den neuen Zielsetzungen, die eine neue Landesregierung beschlossen habe, kaum eine Spur. Das Wirtschaftsressort wolle in der Öffentlichkeit „möglichst viel Terrain besetzen“.
Jäger seinerseits freut sich über die heftige Kritik, die sein Papier nun so bekannt gemacht habe: „Das habe ich bei Herrn Lüthge nicht bestellt.“ K.W.
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