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Jäger 90 läßt Hardthöhe vibrieren

Verteidigungsministerium prüft angeblich ernsthaft Alternativen zum geplanten Flugzeug Jäger 90/ Bedenken gegen den Bau wachsen auch in der Union/ Beteiligte Firmen wollen den Bau durchdrücken  ■ Von Andreas Zumach

Die Kritik an dem fliegenden Milliardengrab „Jäger 90“ wächst — auch aus den Reihen der Union. Die Hardthöhe versucht deshalb jetzt den Eindruck zu erwecken, sie prüfe ernsthaft Alternativen zu dem teuersten Rüstungsprojekt der bundesdeutschen Geschichte.

Der bei den zu erwartenden Stückzahlen von bis zu 130 Millionen Mark inzwischen auf über 25 Milliarden kalkulierte Jäger 90 und andere Waffensysteme sind Gegenstand einer Planungskonferenz der Hardthöhe, bei der heute in Bonn wesentliche Weichen für die Bundeswehr- und Rüstungsplanung bis zum Jahre 2007 gestellt werden. Es geht dabei um die Anpassung der Bewaffnung an die bereits im Dezember beschlossene neue Struktur und Stationierungsplanung der Streitkräfte. Das Motto lautet: „kleiner, mobiler und flexibler“.

Vor Beginn der Planungskonferenz nannte Verteidigungsminister Stoltenberg als mögliche Alternativen zum Jäger 90 den derzeit in Frankreich entwickelten „Rafaele“, die neue US-amerikanische F-18/2000, von der die Schweiz 34 Exemplare anschaffen will, sowie ein schwedisches Kampfflugzeug. Die Hardthöhe gehe „offen an die Prüfung all dieser Alternativen heran“, erklärte Stoltenberg. Mitte des Jahres soll eine Kommission einen abschließenden Bericht vorlegen. Auf der heutigen Planungskonferenz finde „keine irgendwie geartete Vorentscheidung für den Jäger90 statt“, hieß es gestern offiziell auf der Hardthöhe.

An der Ernsthaftigkeit und Offenheit der Prüfung sind allerdings erhebliche Zweifel angebracht. Die Hardthöhe steht unter massivem Druck des größten bundesdeutschen Rüstungskonzerns Daimler-Benz, der den Jäger 90 gemeinsam mit britischen, italienischen und spanischen Firmen entwickelt. Unter diesem Einfluß wurden in der bisherigen mehrjährigen Konzeptions- und Entwicklungsphase des Jägers 90 schon mehrfach Alternativen geprüft und sämtlich verworfen — darunter solche, die auch jetzt wieder zur Prüfung anstehen (zum Beispiel der französische Rafaele). Gestern wurde durch Gerhard Stoltenberg erstmals offiziell bestätigt, daß als Alternative eventuell auch die US- amerikanische F-18/2000 in Frage komme.

Nach Informationen der taz handelt es sich dabei jedoch tatsächlich um eine Aktion zugunsten des Jägers90. Die Berichte wurden gezielt von Bewürwortern des Jägers90 auf der Hardthöhe im Umlauf gebracht, in der Absicht, daß die Partnerländer und -Firmen noch einmal rechtzeitig vor der heutigen Planungskonferenz bei der Bundesregierung zugunsten des Jägers 90 intervenieren. Ziel dieser Aktion ist es unter anderem, den Punkt zwei der Vereinbarung zum Jäger90 zu Fall zu bringen, die eine Planungskonferenz der Hardthöhe Ende letzten Jahres getroffen hatte. Danach solle der Jäger 90 in der Beschaffungsplanung der Bundeswehr unter der Voraussetzung bleiben, daß die anderen Partnerstaaten vor der Bundesrepublik erste Kontingente des Jagdflugzeuges abnehmen und bezahlen.

Mit dieser Vereinbarung sollten seinerzeit vor allem Kostenbedenken in der Opposition wie beim Koalitionspartner FDP besänftigt werden. Da die öffentlichen Kassen etwa in Großbritannien und Italien jedoch noch stärker strapaziert sind als in der BRD, würde die Umsetzung dieser Vereinbarung höchstwahrscheinlich das Aus für den Jäger 90 bedeuten.

Zu seiner gestrigen Stellungnahme veranlaßt haben dürften Stoltenberg über das Kostenargument hinausgehende Bedenken, die die CDU-Mitglieder im Verteidigungsausschuß des Bundestages Nitsch, Schwarz und Hauser in dieser Woche vorgebracht haben. Vor allem Hauser forderte angesichts der veränderten Realitäten in Europa einen „radikalen Schwenk in der Militärpolitik“. Statt des Jägers 90 bedürfe es lediglich eines Jagdflugzeuges zur „Sicherung der Lufthoheit über Deutschland“.

Neben einer Umrüstung der Hälfte der dreihundert „Tornado“- Jagdbomber der Bundesluftwaffe zu Jagdflugzeugen schlug Hauser den Erwerb von zwanzig weiteren sowjetischen MiG-29-Flugzeugen vor, zusätzlich zu den zwanzig, die die Luftwaffe bereits von der DDR geerbt hat. Die Beschaffung von weiteren MiG-29 als Alternative zum Jäger 90 wollte gestern auch der CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende Schäuble nicht ausschließen.

Allerdings brauche die Bundeswehr 250 moderne Jagdflugzeuge, erklärte er ohne weitere Begründung und warnte überdies vor „nationalen Alleingängen“ der Bundesrepublik bei der Waffenbeschaffung. Ähnlich wie auch Sicherheitspolitiker der SPD monierte der Abgeordnete Hauser, daß— entgegen gestern verbreiteten Meldungen — die Planungen zur Anschaffung neuer Panzer („LeopardIII“) und Panzerabwehrraketen nicht aufgegeben, sondern lediglich zeitlich gestreckt wurden.

Dem CDU-Abgeordneten geht es allerdings nicht um Abrüstung, sondern um die Befähigung der bundesdeutschen Streitkräfte zu „out of area“-Einsätzen. Dazu sei die Ausrüstung mit leichten, lufttransportfähigen Waffen und Gerät vordringlich.

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