„Ja“ zu vorgeburtlichen Bluttests: Entscheidung jetzt, Debatte später

Krankenkassen sollen künftig pränatale Tests zur Ermittlung des Downsyndroms bezahlen. Behindertenverbände kritisieren das.

drei junge Männer demonstrieren mit bunten Schildern und Luftballons für Inklusion und gegen die Bluttests

Protest gegen kassenfinanzierte Tests. 15.9.19 in Berlin Foto: Barbara Dribbusch

BERLIN taz | Der Bluttest auf das Downsyndrom soll für Schwangere mit besonderem Risiko künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Das entschied der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss, ein Gremium aus ÄrztInnen und VertreterInnen von Krankenkassen, am Donnerstag.

Anders als bei Fruchtwasseruntersuchungen, die auch bisher schon kassenfinanziert möglich sind, aber das Risiko einer Fehlgeburt erhöhen, ist der Test risikolos sowohl für die Schwangere als auch den Embryo.

Zwar sei die Entscheidung „schwierig, weil sie fundamental-ethische Grundfragen unserer Gesellschaft berührt“, sagte der Ausschussvorsitzende Josef Hecken. Natürlich wolle man nicht, dass es zu „einer Selektion“ von Embryonen mit Trisomie 21 komme.

Für die nötige gesellschaftliche Debatte sei aber noch Zeit, weil der Beschluss zusammen mit einer Information der Versicherten erst im Herbst 2020 in Kraft treten soll. Er gehe sogar davon aus, die öffentliche Debatte stärker zu befeuern, „wenn wir heute beschließen“, sagte Hecken – „weil der Bundestag es dann wirklich auf die Agenda setzen muss“.

Druck auf Eltern könnte steigen

Bislang muss der Test, der die drei Trisomien 13, 18 und 21 sucht, privat bezahlt werden, er kostet ab 120 Euro aufwärts. Künftig soll die Untersuchung „nach ärztlicher Beurteilung im konkreten Einzelfall“ übernommen werden. Der Test soll Schwangeren ab der neunten Woche „mit besonderem Risiko und zur Abklärung von Auffälligkeiten“ angeboten werden. Allein das Alter der Schwangeren soll dabei kein ausreichendes Risiko sein. Doch welche Faktoren zum Tragen kommen, müsse individuell entschieden werden, hieß es.

Das Gen-ethische Netzwerk, das Entwicklungen in den Gen- und Reproduktionstechnologien verfolgt und aufarbeitet, kritisiert, diese Risikodefinition sei „extrem ungenau“. Mit der Zulassung als Kassenleistung, so die Verantwortliche im Fachbereich Reproduktionstechnologien, Kirsten Achtelik, sei deshalb eine „erhebliche Ausweitung“ des Tests zu befürchten.

Der Druck auf Eltern, den Test zu machen, werde steigen. Auch Behindertenverbände wie die Lebenshilfe befürchten, dass durch den kassenfinanzierten Test Föten mit Trisomie 21 noch stärker als bisher vor der Geburt „aussortiert“ werden könnten.

Um das zu verhindern, sollen laut Gemeinsamem Bundesausschuss ÄrztInnen Frauen künftig besser darüber aufklären, was ein positives Testergebnis bedeutet. Bei der Beratung soll einE ÄrztIn anwesend sein, die Erfahrung mit TrisomiepatientInnen hat, außerdem sollen Kontakte zu Beratungsstellen vermittelt werden.

Debatte längst nicht beendet

Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, hatte sich für ein Moratorium des Verfahrens ausgesprochen. Sie sagte der taz, die Debatte um pränatale Tests sei nun „längst nicht beendet“.

Bereits im April hatte es unter anderem auf Initiative von Rüffer eine erste Orientierungsdebatte im Bundestag zum Thema gegeben. Nun überlege eine interfraktionelle Gruppe, wie man „konkret tätig“ werden könne, sagte Rüffer.

Sie gehe aber davon aus, dass frühestens Ende des Jahres Vorschläge für Regelungen vorliegen werden, wie mit molekulargenetischen vorgeburtlichen Tests verfahren werden soll.

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