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Archiv-Artikel

Ja wo leben wir denn?!

betr.: „ALG-Bezieher soll Bedarf beweisen“, taz vom 9. 1. 06

Während nun zwei Jahre nach Umsetzung der unsäglichen Hartz-„Reform“ sich ihre völlige Erfolglosigkeit offenbart, ja sogar die Arbeitslosigkeit gerade in Folge jener „Reform“ dramatisch angestiegen ist, wird nun das falsche Rezept weiter verordnet und die Dosis erhöht. Schon der ideologische Ansatz dieser „Reform“ ging völlig an den Realitäten eines schwindsüchtigen Arbeitsmarktes vorbei. Der Arbeitslose wurde kurzerhand zum Schuldigen an der eigenen Arbeitslosigkeit erklärt – das Opfer zum Täter.

Nun fordert der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, dass die Bedürftigen künftig ihren ALG-II-Leistungsanspruch beweisen müssten. Insbesondere beim Zusammenleben von Partnern in eheähnlichen Gemeinschaften „müsse es künftig genügen, wenn zwei zusammenleben und sich das Bett teilen“, so Clever.

Ja wo leben wir denn? Da wird einerseits die Zunahme von Singlehaushalten und die mangelnde Gebärfreudigkeit der Deutschen beklagt, andererseits wird von staatlicher Seite alles unternommen, um Menschen davon abzuschrecken, eine partnerschaftliche Beziehung zu bilden, zu heiraten oder gar Kinder in die Welt zu setzen.

Und um die gar nicht so cleveren Forderungen des Herrn Clever noch zu steigern, stellt der Staatssekretär im bayrischen Sozialministerium, Jürgen Heike, potenzielle Leistungsempfänger unter generellen Betrugsverdacht. Und hat auch schon gleich eine Idee, wie man die Arbeitslosenstatistik bereinigen kann: „Wer kein Geld hat, muss mit Haftstrafen rechnen!“ Zynischer geht’s nicht.

HANS-JOACHIM VIEHL, Frankfurt am Main