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Italiens Marsch in den autoritären Staat

■ Machtkartell aus Konservativen und Sozialisten unterwandert die Demokratie / Aus Rom Werner Raith

Mit „Strafaktionen“ gegen oppositionelle Medien und der Besetzung von wirtschaftlichen Schlüsselstellungen zementieren Italiens Sozialisten und Christdemokraten ihre Hegemonie. Die „präfaschistische Phase“ ist bereits mehr als ein politisches Schlagwort.

Der Schlag kam „mit unübertrefflicher Präzision“, wie 'La Repubblica‘ aufschrie, „traf genau und war zeitlich optimal gesetzt“: Während Italien noch immer im Rausch des Gorbatschowbesuches taumelte und die politischen Beobachter voll mit dem Gipfel auf Malta beschäftigt waren, tickerte die Meldung über die Fernschreiber, daß Fernsehzar Silvio Berlusconi („italia 1“, „Retequattro“, „Canale 5“) eine Sperrminorität am Medienriesen Mondadori mit 3,5 Milliarden DM Jahresumsatz erworben hat. Eine Transaktion, mit der der Mailänder Informationsgroßhändler seine bisherige Hegemonie vom TV-Bereich auch auf den Sektor Wochenmagazine ausdehnt und dem Marktführer bei den Tageszeitungen nahekommt (siehe Kasten). So fließen in sein Imperium nun auch die drei angesehensten Politmagazine 'Panorama‘, 'L'Espresso‘ und 'Epoca!‘ ein, dazu die auflagenstärkste Tageszeitung 'La Repubblica‘.

Gleichzeitig wird damit der bisher im Pressegeschäft mitherrschende Olivetti-Chef Carlo De Benedetti, der mit einer Sperrminorität Mondadori kontrolliert hat, ausgeschaltet. Dies und das Ansichbringen von 'La Repubblica‘ sieht sowohl die parlamentarische Opposition als auch die Mehrheit der Journalisten als das eigentliche Ziel der „Aktion Mondadori“ an.

Denn „rein geschäftlich rechnet sich die Transaktion kaum“, stellt der ehemalige Börsenaufsichtschef Guido Rossi, heute linksunabhängiger Abgeordneter, nach einigen Analysen fest: Mondadori war schon beim Verkauf von Anteilen an De Benedetti vor drei Jahren so klamm, daß man weder Steuern zahlen noch notwendige Investitionen durchführen konnte.

Doch De Benedetti hat in Italiens Establishment einen bösen Ruf - nicht nur, daß er ein reiner Aufsteiger ist und seither die Altreichen wie Agnelli, Ferruzzi, Pirelli oder eben Mondadori mit ständigen wieselflinken Neuerungen nervt. Er gilt auch linker Neigungen verdächtig und hat in den letzten Monaten viel Abfälliges über die derzeitige politische Allianz von sich gegeben. Und da marschiert er in ziemlichem Gleichklang mit den nun an Berlusconi gefallenen Presseorganen - 'La Repubblica‘, 'Panorama‘ und 'L'Espresso‘ sind genau die drei härtesten kritischen Stimmen gegen das aktuelle Machtkartell. Mit dem Übergang zu Berlusconi, einem der engsten Freunde und Berater des sozialistischen Parteichefs Bettino Craxi, wird sich das wohl schnell ändern - in den betroffenen Zeitungen kursieren bereits schwarze Listen von Redakteuren, die sofort zu feuern oder zumindest kaltzustellen sind; darunter auch der Gründer von 'La Repubblica‘ und derzeitige Chefredakteur Eugenio Scalfari. „Der 'CAF‘ kann aufatmen und seine finsteren Pläne weiterverfolgen“, urteilt 'Il manifesto‘.

CAF - das ist ein Kürzel aus den Anfangsbuchstaben des PSI -Vorsitzenden Craxi, des derzeitigen christdemokratischen Ministerpräsidenten Andreotti und des Vorsitzenden der Christdemokraten Forlani.

Im Mai dieses Jahres haben die drei starken Männer der italienischen Politik während des Sozialistenkongresses einen Pakt zur Teilung der Macht geschlossen, der inhaltlich im wesentlichen auf folgendes hinauslaufen soll: Verfassungsreform hin zur Präsidialrepublik nach De Gaulleschem Muster, Ausschaltung der Opposition durch politische Manöver oder Gesetze, freie Hand für die Großindustrie, sofern sie regierungsfreundlich ist, andernfalls Abstrafung. Als ersten praktischen Schritt fegte der CAF den moderaten DC-Regierungschef Ciriaco De Mita (und parteiintern den linken Flügel) hinweg und installierte statt dessen den überaus umstrittenen - und bereits zwei Dutzend Mal vor Untersuchungsausschüsse geratenen - Giulio Andreotti.

Alleine schon das Kabinett Andreotti bewies das - eine Art Gerontokratie aus alten Füchsen, mit meist über Siebzigjährigen in den Schlüsselressorts, so neben Andreotti selbst auch bei Haushalt und Justiz, oder aber blutigen Anfängern, wo Andreotti selbst stark mitreden will, etwa im Außenministerium.

Doch selbstverständlich reicht dies noch lange nicht für eine dauerhafte Machtergreifung. Und so vertreiben die drei vom CAF mittlerweile alle, von denen Kritik zu erwarten ist, aus den Schlüsselstellungen von Industrie und Hochfinanz, zumindest dort, wo sie über Staatsbeteiligungen Einfluß haben. Ersetzt wurden die Chefs der größten Staatsholdings ENI und IRI, bisher hervorragende Manager aus der Generation der Fünfzigjährigen, allesamt durch pensionsreife Oldtimer; dazu zwei Dutzend Bankchefs, der Präsident der Staatsbank steht demnächst an. Den liberalen Generaldirektor des staatlichen Rundfunks RAI haben die CAFler zum Rücktritt gezwungen, im zweiten Kanal hat Craxi zudem einen 150prozentigen Gefolgsmann namens Sodano als Programmchef installiert: Erste spektakuläre Amtstat des Neuen war dann die Ankündigung einer Sendung über Die glücklichen Jahre des Faschismus.

In sozialistische Hand geht nun auch die Stadt Rom über Craxi hat sich das Bürgermeisteramt für den bisherigen Tourismusminister versprechen lassen, denn die Hauptstadt richtet nicht nur die geldträchtige Fußballweltmeisterschaft aus, sondern erhält umgerechnet mehr als 40 Milliarden DM zum Bau eines neuen Regierungsviertels, und das macht Appetit.

Doch die Pfründenteilung ist keineswegs alles, was CAF mittlerweile in Richtung auf sein Ziel auf den Weg gebracht hat. Unbemerkt fast hat die Regierung ein Gesetz gegen Streiks und gewerkschaftliche Umtriebe verabschiedet. Gleichzeitig blockiert sie das vom Verfassungsgericht angemahnte Anti-Trust-Gesetz so erfolgreich, daß diese Legislaturperiode (und das heißt über 1992 hinaus) wohl nichts mehr draus wird. Auch aufmüpfige Jugendliche und insbesondere unzufriedene Randgruppen haben ihren Warnschuß bereits bekommen: Vorige Woche hat der Senat ein neues Antidrogengesetz verabschiedet, das sämtliche Rauschgiftsüchtigen - nicht nur Händler - kriminalisiert, ihnen zuerst mit „administrativen“ Strafen wie Führerschein und Paßentzug oder Wochenendarrest und danach mit Haft droht.

Wo sich die Opposition zu laut rührt, wird auch sie abgestraft: Marco Pannella, Gründer der Radikalen Partei, pflegt jede Legislaturperiode zur Halbzeit eine Art „Vertrauensfrage“ zu stellen und seinen Austritt aus der Kammer anzubieten. Bisher hat das Haus den Antrag des „letzten Volkstribuns Roms“ (so Pier Paolo Pasolini über Pannella) stets zurückgewiesen.

Diesmal nahm sie ihn an. Der streitbare Volksvertreter hatte die Entwicklung zu einem „antidemokratischen, präfaschistischen Staat“ zu deutlich angeprangert (siehe Interview).

So manchen, wie etwa den stellvertretenden Vorsitzenden des Justizausschusses, Luciano Violante, „erinnert all das an einen berühmten Plan“ - das „Projekt zur demokratischen Erneuerung“ der Loge „Propaganda 2“. Auch dort war die Präsidialrepublik, die Ausschaltung der Gewerkschaft und der Opposition, die starke Hand gegen Randgruppen und das Ansichbringen des Informationssektors als Weg in „unseren“ den rechtslastigen - Staat bezeichnet worden.

Vielleicht doch kein Zufall - wie er es glauben machen wollte - daß Silvio Berlusconi, unter der Ausweisnummer 1816, in der Loge eingeschrieben war.

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