Italiens Linke bäumt sich auf: "Sind nicht von Berlusconi besessen"
Auf einer Großdemonstration in Rom nimmt Italiens linkes Lager nicht nur Regierungschef Berlusconi, sondern auch dessen Verbündete aufs Korn. Den Papst zum Beispiel.
ROM taz Mehr als 20.000 Menschen gingen am Dienstagabend in Rom gegen Silvio Berlusconis Justizpolitik auf die Straße. Unter dem Motto "Stoppt den Kaiman" (so hieß der Film, den Nanni Moretti vor zwei Jahren Berlusconi widmete) gab die Opposition ein erstes mächtiges Lebenszeichen nach dem Wahlsieg der Rechten im April.
Zur Demo aufgerufen hatten Vertreter der Girotondi-Bewegung um den Intellektuellen Paolo Flores D'Arcais, die schon während der Berlusconi-Regierungsjahre 2001-2006 diverse Massenkundgebungen organisiert hatte. Diesmal fanden sie in Antonio Di Pietro, dem früheren Anti-Korruptions-Staatsanwalt und heutigen Vorsitzenden der Partei "Italien der Werte", einen mächtigen Verbündeten. Deren Fahnen, zusammen mit den roten Fahnen der diversen linksradikalen Parteien prägten das Bild auf der Piazza Navona.
Nicht gekommen war dagegen die stärkste Oppositionspartei, die Demokraten unter Walter Veltroni. Veltroni hatte seinen Demokraten schon im Wahlkampf die Abkehr vom "Anti-Berlusconismus", von der seiner Meinung nach unnützen "Fixierung" auf den politisierenden Medienmogul verordnet. Er hält nichts von einer "polternden" Opposition; zudem fürchtete er, auf der Kundgebung selbst zur Zielscheibe der Kritik an seinem vorsichtigen Kurs zu werden. Mit gutem Grund: Zwar nahmen alle Redner auf dem Platz Berlusconis Versuch aufs Korn, wieder einmal mit diversen Gesetzen seinen Prozessen ein Ende zu bereiten. Noch in dieser Woche wird das Abgeordnetenhaus ein Immunitätsgesetz für die vier höchsten Staatsämter beschließen. Zudem ist ein Gesetz in Arbeit, das alle Prozesse für ein Jahr stoppen soll, in denen es um vor 2002 begangene Straftaten mit einem Strafrahmen unter zehn Jahren geht. Und schließlich sollen den Staatsanwälten enge Grenzen beim Abhören von Verdächtigen gesetzt werden.
Doch diverse Redner wie der Journalist Marco Travaglio, der Komiker Beppe Grillo und die Satirikerin Sabina Guzzanti - nahmen auch Veltroni ins Visier, warfen ihm vor, faktisch Berlusconis Spiel zu spielen. "Nicht wir sind von Berlusconi besessen", rief Flores D'Arcais unter großem Beifall der Demonstranten, "Berlusconi ist von der Justiz besessen"; dem Regierungschef schwebe ein nach Staate nach dem Vorbild Putins vor.
So war die Demo zwar einerseits ein Lebenszeichen der Opposition, vertiefte andererseits aber auch ihre Spaltungen. Vor allem der Journalist Travaglio und die Komikerin Guzzanti heizten die Polemik an. Guzzanti setzte mit Papst Ratzinger einen weiteren Alliierten Berlusconis auf die Anklagebank; sie sah den Heiligen Vater schon in der Hölle schmoren, "gequält von 20.000 stockschwulen Teufeln". Danach ging sie die Ministerin Mara Carfagna an, die im Kabinett sei, "bloß weil sie ihm (Berlusconi, die Red.) einen geblasen hat, sie ist einfach unmöglich als Gleichstellungsministerin". Von diesen ruppigen Tönen distanzierte sich Antonio Di Pietro zwar - doch eine geeinte Opposition gegen Berlusconi ist vorerst nicht in Sicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!