: Ist ja ganz bunt hier
■ Wie der Besucherpavillon im Oslebshausener Knast von Kunststudis verschönert wurde
Es scheint ein Gesetz zu geben, welches festlegt, daß Knastdesigner ausschließlich mit den Farben Oker und Umbra arbeiten dürfen. Dieses Gesetz wurde jetzt gebrochen: Ab sofort steht den Besuchern und ihren im Oslebshauser Gefängnis Einsitzenden ein generalüberholter Besucherpavillon zur Verfügung. Der ist bunt. Gestern wurde das „Aushängeschild“der JVA offiziell seiner Bestimmung übergeben.
Böse Zungen würden entdecken: Die Wände sind getupft, die Farbe ist Lila – und würden behaupten: Anthroposophen am Werk. Die bösen Zungen haben teilweise Recht. Die Verschönerung des Pavillons war nämlich ein Projekt der Kunststudienstätte Ottersberg. Von Februar bis Mai arbeiteten Ottersberger PraktikantInnen und die Knast-Malerkolonne Hand in Hand, so daß sich Zocker-Ede jetzt mit seiner Lola in einer Art Waldorf-Kindergarten treffen kann. Pädagogisch wertvolles Spielzeug steht auch herum – eine Wippe und ein Holzwolf aus der anstaltseigenen Bildhauerwerkstatt zum Beispiel.
Ein Raum ist in Sonnengelb gehalten, was kommunikativ sein soll und verdauungsfördernd; ein Raum leuchtet beruhigend lindgrün, einer lila/blau. Das soll das Gespräch anregen, erklärt Insasse und Malergeselle Thorsten; außerdem sei dies der Raucherraum, und die Farbe sei unempfindlich. Das Lila, betonen alle Beteiligten, war keine Idee der Ottersberger.
Der Pavillon hat nun nichts mehr vom muffig-bräunlichen Chic der letzten Jahre. PVC ist raus, grauer Nadelfilz schmückt nun den Boden. Hingegen hat sich nicht geändert, daß man nur einmal in der Woche eine Stunde Besuch haben kann (von Gesetzes wegen steht dem Gefangenen sogar nur eine Stunde pro Monat zu). Nicht geändert hat sich, daß der „Besuchsbeamte“in seinem zentralen Glaskasten jeden Winkel im Blick hat und solche Sachen wie Schmusen untersagt („Unterlassen Sie das! Hier sind auch Kinder.“) Und daß die Malerkolonne aus Jux und Dollerei gepinselt habe, ist auch ein Irrtum. Es herrscht Arbeitspflicht (1,71 Mark brutto, 35-Stunden-Woche), wer nicht arbeitet, riskiert Fernsehentzug.
Trotzdem war Thorsten begeistert von der Kooperation mit den Ottersbergern, denn nicht zuletzt waren unter ihnen „reichlich Frauen“. Die hätten auch gar nicht – obwohl sie ein pädagogisches bzw. therapeutisches Praktikum machten – an ihm herumzudoktern versucht („Da wären wir ihnen auch überlegen.“) Die StudentInnen ihrerseits haben einen Knastalltag erlebt, der streckenweise durchaus aggressiv und bedrohlich auf sie wirkte. Gestern bei Kaffee und Kuchen war das Verhältnis zwischen Insassen und Reinguckern kumpelhaft.
Und wird jetzt der ganze Knast bunt betupft? Thorsten: „Das erlaubt die Anstalt nicht.“Nach der Freilassung müsse mühsam und teuer übertüncht werden. Nämlich die Lieblingsfarbe der meisten Gefangenen ist Schwarz. BuS
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