: Ist die Bremer Polizei rassistisch?
■ Prozeß gegen Antirassismus-Aktivist wegen Brechmittel-Kritik
Ist es strafbar, der Bremer Polizei im Zusammenhang mit der Vergabe von Brechmitteln an vermeintliche schwarze Drogendealer „rassistische Sonderbehandlung“ vorzuwerfen? Auf diese Frage muß Amtsrichter Friedrich Wulf bis zum kommenden Freitag eine Antwort finden. Dann wird er das Urteil im Verfahren gegen den Mitarbeiter des „Antirassismus-Büros“ (Arab), Mathias B. sprechen. Staatsanwalt Picard sah gestern nach der mündlichen Verhandlung den Straftatbestand der „Volksverhetzung“ gegeben und forderte eine Geldstrafe in Höhe von 2400 Mark, Matthias B.s Verteidigerin Barbara Kopp plädierte auf Freispruch.
In der Verhandlung war deutlich geworden, auf wie wackeligen Füßen die Anklage steht. Denn obwohl Matthias B. die inkriminierte Arab-Broschüre „Polizisten, die zum Brechen reizen“ am 31. Mai 1995 auf einer öffentlichen Veranstaltung des ÖTV-Fachausschusses RichterInnen und StaatsanwältInnen vor lauter Rechtskundigen zum Kauf angeboten haben soll, widersprachen sich die ZeugInnen in diesem für die Anklage zentralen Punkt.
Werner Glemnitz, Mitarbeiter der Kripo-„Ermittlungsgruppe gegen linksextreme und autonome Gewalt“, konnte sich nur noch erinnern, daß zum Kauf aufgerufen worden war, nicht aber von wem. „Irgendjemand hat auf die Schrift hingewiesen“, sagte er, versicherte jedoch ausdrücklich, er sei „dienstlich“ auf der Veranstaltung gewesen.
Staatsanwältin Elisabeth Lutzebäck war sich dagegen gestern sicher, daß Matthias B. vom Podium aus die Broschüre angepriesen habe. Sie selber hatte den Inhalt der Arab-Veröffentlichung zunächst aber keineswegs für strafbar erarchtet. Im Gegenteil: Gestützt auf die Arab-Recherchen eröffnete sie mehrere Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt. Erst nach einer Strafanzeige des Kripo-Mannes Glemnitz eröffnete Lutzebäck auch ein Ermittlungsverfahren gegen die Arab-Mitarbeiter. „Ich fand die Formulierungen in der Broschüre einfach hanebüchen“, begründete sie ihren Sinneswandel gestern vor Gericht.
Verteidigerin Kopp ging gestern nach der Verhandlung davon aus, daß nicht erwiesen ist, ob Matthias B. die inkriminierte Broschüre überhaupt verbreitet hat. Würde dies jedoch unterstellt, dann will sie belegen, daß alle darin erhobenen Vorwürfe berechtigt sind. Vorsorglich beantragte sie deshalb gestern die Ladung von Gerichtsmedizinern und Polizeipräsident Rolf Lüken zum Beweis, daß Brechmittel von der Bremer Polizei zwischen 1992 und 1994 in über 400 Fällen zwangsweise zu „über 80 Prozent“ an Schwarzafrikaner verabreicht wurden. Heruntergeschluckte Drogen hätten dabei jedoch nur in rund der Hälfte der Fälle sichergestellt werden können. Ase
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