: Ist Matthiesen ein Lügner und Betrüger?
■ Ab heute beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuß mit dem NRW-Umweltminister
Düsseldorf (taz) – Klaus Matthiesen wird schnell laut. Nicht zuletzt die eigenen Genossen nervt das Gepolter. Ein Düsseldorfer SPD-Spitzenmann kennzeichnet den Umgangsstil des Umweltministers so: „Je dürftiger die Argumente, um so lauter sein Ton.“ Da könnte der Untersuchungsausschuß des Landtags einiges zu hören kriegen. Ab heute steht dort der „Fall Matthiesen“ auf dem Programm. Die Oppositionsparteien werfen dem Umweltminister vor, „ein großangelegtes Betrugsmanöver auf Kosten der Steuerzahler“, so CDU-Chef Helmut Linssen, initiiert zu haben. Der Vorgang selbst liegt gut drei Jahre zurück. Kurz vor der Landtagswahl 1990 hatte das Düsseldorfer Umweltministerium eine Anzeigenserie begonnen, in der mit der Formulierung „rät der Umweltminister in NRW“ den Bürgern „Müllspartips“ gegeben wurden. Die Kampagne, die exakt am Samstag vor dem Landtagswahltermin endete, ging ins Geld. Fünf Millionen Mark schob Finanzminister Heinz Schleußer seinem Kollegen dafür außerplanmäßig rüber. Über diesen Coup hat der Münsteraner Verfassungsgerichtshof zwei Urteile gefällt. Im ersten Verfahren, angestrengt von CDU und FDP, ging es ausschließlich um die haushaltsrechtliche Seite der Aktion. Dabei kamen die Richter zu dem Schluß, daß die über sogenannte „Verstärkungstitel“ am Parlament vorbei erfolgte Finanzierung „rechtswidrig“ war, sie „verstieß gegen die Landesverfassung“. Im zweiten, von den Grünen initiierten Prozeß entschieden die Richter dagegen im Sinne der Landesregierung. Die Kampagne selbst sei inhaltlich „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“, sie stelle „keine unzulässige Wahleinwirkung“ – genau darum ging es den Grünen – dar.
Nach Auffassung der Düsseldorfer Oppositionsparteien fußt die Entscheidung des Münsteraner Gerichts zumindest teilweise auf falschen Angaben seitens der Landesregierung. Der Umweltminister habe zum Beispiel den akuten Müllnotstand mit „einer glatten Lüge“ (CDU-Linssen) lediglich vorgetäuscht. Für diesen Vorwurf finden sich in den Akten zahlreiche Belege: Gegenüber dem Finanzministerium gab Matthiesen als „Zweckbestimmung“ für die „außerplanmäßige Ausgabe“ seinerzeit eine „Kampagne zur Abfallvermeidung in privaten Haushalten“ an. In der Begründung schrieb Matthiesen dann: „Durch den zunehmenden Widerstand gegen die Müllverbrennung und den Fortfall der Deponierungsmöglichkeiten in der DDR spitzt sich das bestehende Müllproblem weiter zu...“ Im Zusammenhang mit der oben genannten Zweckbestimmung ist diese Begründung mindestens zur Hälfte falsch. Tatsächlich konnte sich das Müllproblem der Privathaushalte in NRW vor der Landtagswahl 1990 durch den „Fortfall der Deponierungsmöglichkeiten in der DDR“ überhaupt nicht zuspitzen, weil Hausmüll aus NRW nie in die DDR exportiert wurde. Matthiesen selbst hatte am 18. Janur 1990 im Landtag stolz verkündet, „daß es bisher keinen Export von Hausmüll aus Nordrhein-Westfalen in die DDR gegeben hat und daß es einen solchen Export auch in Zukunft mit Zustimmung der Landesregierung nicht geben wird“. Daß Matthiesen bisher juristisch nichts gegen den Vorwurf der „glatten Lüge“ unternommen hat, kann angesichts dieser Fakten kaum überraschen. In der Sache wußte der ertappte Sünder bisher nichts Entlastendes vorzubringen. Sollte er das Blatt auch vor dem U-Ausschuß nicht wenden können, erhielten seine hochfliegenden Karrierepläne, den ins Bundespräsidialamt strebenden Johannes Rau gegebenenfalls politisch zu beerben, wohl einen herben Dämpfer. Lautstärke allein hilft da nicht. Walter Jakobs
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