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Israel intensiviert MilitärschlägeGaza erlebt die schlimmste Nacht

Kurz vor der erwarteten Waffenruhe werden die Kämpfe im Gazastreifen heftiger. Die EU übt erstmal Kritik: Kommissar Michel wirft Israel Missachtung des humanitären Völkerrechts vor.

Die häßliche Fratze des Krieges: Palästinenser inspizieren ihre zerstörten Häuser. Bild: dpa

Trotz internationaler Bemühungen scheint ein Waffenstillstand im Gazastreifen noch nicht in greifbare Nähe gerückt zu sein. Israels Generalstabschef Gabi Aschkenasi kündigte am 18. Tag der Militäroffensive noch härtere Schläge gegen die Hamas an. "Wir haben große Erfolge im Kampf gegen die Hamas, ihre Infrastruktur, gegen ihre Herrschaft, gegen ihren militärischen Arm vorzuweisen, aber wir haben noch viel zu tun", sagte er. Die Offensive müsse fortgesetzt werden. Nach Angaben von Verkehrsminister Shaul Mofas wird das israelische Kabinett erst in der nächsten Woche, unmittelbar vor Barack Obamas Amtsantritt am 20. Januar, über das weitere Vorgehen entscheiden.

In der Nacht zu Mittwoch hatte die israelische Armee ihre Offensive noch einmal massiv verstärkt. Nachrichtensender und Einwohner von Gaza sprachen von der schlimmsten Nacht seit Kriegsbeginn. Die israelische Luftwaffe flog mehr als 60 Angriffe auf Gaza und die Grenzstadt Rafah. Auch von See her wurde Gaza-Stadt unter Beschuss genommen, die Stadt ist derzeit von israelischen Truppen eingeschlossen. In den Vororten lieferten sich Armee und Hamas schwere Gefechte. Beide Seiten schrieben der jeweils anderen hohe Verluste zu. Nach Meldungen von Reuters drang die Armee mit Panzern auch in die Vororte der Stadt Chan Junis vor.

Der UN-Sicherheitsrat trat am Dienstagnachmittag unmittelbar vor einer neuen Vermittlungsmission von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York zusammen. Ban hatte zuvor einen sofortigen Stopp der Kämpfe gefordert. Während seiner Vermittlungsmission will der Generalsekretär mehrere Nahoststaaten besuchen. In Kairo dauerten unterdessen die Gespräche zwischen der ägyptischen Regierung und der Hamas über die Bedingungen für eine Waffenruhe an.

Erstmals hat ein Mitglied der EU-Kommission heftige Kritik an der israelischen Offensive geübt. "Israel missachtet das humanitäre Völkerrecht", sagte EU-Entwicklungskommissar Louis Michel der Zeitung La Libre Belgique. Israel habe die Pflicht, das Leben der Zivilbevölkerung zu erhalten und für deren Schutz und Ernährung zu sorgen. "Das geschieht offensichtlich nicht", sagte Michel. Das Verhalten Israels als demokratischer Staat sei nur schwer zu akzeptieren.

Am Dienstag hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) die Konfliktparteien erneut aufgefordert, die Rettungsteams zu den Verwundeten durchzulassen. Nach dem humanitären Völkerrecht müssten die Parteien "unverzüglich und unterschiedslos" für die Verletzten sorgen. Das Gesundheitsministerium in Gaza gab am Dienstag an, dass bislang 935 Palästinenser getötet und rund 4.000 verletzt worden seien. Knapp 400 dieser Opfer sind demnach Frauen und Kinder. Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) meldete, dass die von ihm geförderte Mutter-Kind-Klinik in Gaza-Stadt von israelischen Bomben zerstört worden sei. Die Klinik, alle Geräte und alle medizinischen Vorräte seien zerstört, sagte eine Mitarbeiterin des Hilfswerks in Jerusalem. Die Weltgesundheitsbehörde warnte gestern vor einem Ausbruch von Epidemien angesichts der schlechten Hygienebedingungen. Von den 58 Gesundheitszentren im Gazastreifen arbeiten demnach nur noch 30.

In Israel ist der erste Reservist verurteilt worden, weil er den Einsatz im Gazastreifen verweigert hat. Die Organisation Ometz Iesarev (Der Mut zu verweigern) teilte mit, der 35-jährige habe gegen den Tod hunderter Palästinenser protestieren wollen. Er sei wegen "Gehorsamsverweigerung" zu zwei Wochen Arrest verurteilt worden.

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12 Kommentare

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  • MM
    Mie Månsson

    hallo denninger, darft ich sie, vonwegen Nazi, daran erinnern...wir wurden hier in Skandinavien von den deutschen Nazis besetzt, ja...und wir haben damals Widerstand geleistet und versucht alle unsere Staatsbürger nach Möglichkeit zu beschützen, egal welcher Konfession. Wir erinnern uns auch dass damals Hitler meinte Polen hätte Deutschland angegriffen, deshalb marschierten deutsche Truppen in Polen herein...und ja, wir sind in Skandinavien auch heute der Meinung; j e d e r hat Recht auf Sicherheit, egal welcher Konfession...Sprich: sowohl jüdische Israelis als arabische und auch Palästinenser...haben ein Recht auf ein Leben in Geborgenheit..Bei ihnen, Denninger, bin ich mir leider nicht so sicher dass sie derselben Meinung sind und es ist grausam dass sie versuchen einen Völkermord mit dem anderen zu rechtfertigen!

  • D
    Denninger

    @ Regine Metes:

    Tool, wie simpel die Welt und ihre Konflikte in ihren Augen sind.

    Immerhin gestehen Sie sich ein, dass der Auslöser für die israelische Militäraktion die ständigen Raketenangriffe der Hamas aus dem Gazastreifen waren.

    Sie haben nicht zu entscheiden, wie ein souveräner Staat auf fortgesetzte tätliche Angriffe und Bedrohung seiner Bürger zu reagieren hat.

    Die "armen Palästinenser", ich meine ausschliesslich die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, sind nicht die Opfer des sich wehrenden Staates Israel sondern der feigen Terroristen, welche sich hinter der Zivilbevölkerung verstecken. Verwechseln sie in Ihrer blinden Wut auf Israel nicht Täter (Hamas) und Opfer (Israelis).

    Sie haben recht: Dieser Krieg muss so bald als möglich enden. In ihrer hysterischen Zuweisung der Kriegsschuld haben Sie jedoch eines übersehen. Israel wurde von der Hamas angegriffen. Suchen Sie die Kriegstreiber im Lager der Angreifer, und Sie werden sehr schnell auf Parolen stossen die nichts anderes als die Ermordung aller Juden fordern. Zeigen Sie mir eine, nur eine Stelle in welcher ein Israeli die Ermordung aller Araber / Muslime oder Palestinenser fordert!

    Es gibt keine? Natürlich nicht.

    Aber die einschlägigen Naziparolen grölten schon die "Spatzen" ind den Strassen.

    Wer ist hier Täter und wer ist hier Opfer?

  • D
    Dyba

    Die Israeleis machen am Emde der Bushära Nägel mit Köpfen. Vermutlich geht es in der Hauptsache um dieses:

     

    http://www.hintergrund.de/content/view/340/66/

  • MA
    Marcus A. Lang

    Die Hamas und inzwischen auch die Fatah in Gaza beschiessen mit ihren Raketen das Land, das ihnen von den Israelis gestohlen wurde.

  • PC
    Praktizierender Christ

    Jemand muss die Kriegsparteien entwaffnen. Hamas kann sehr schnell entwaffnet werden, aber Israel nicht.

  • MM
    Mie Månsson

    Nicht nur dieses Krankenhaus, nein, gestern berichtet auch The Independent von zwei weiteren Kliniken die von israelischen Bomben vernichtet wurden (http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/gaza-clinics-destroyed-by-raids-1332022.html) und schon am Montag berichtete u a Norwegens Dagbladet (dagbladet.no) von einer von der Nothilfe der norwegischen Kirche finanzierten Klinik die auch von israelischen Bomben vernichtet wurde.

    Ebenso in schwedischen Medien (DN, SVD) wurde von der Vernichtung einer schwedisch-finanzierten Klinik berichtet und Schwedens Ministerin für Entwicklungshilfe Gunilla Carlsson notierte entsprechenderweise, man erwäge es - im Namen schwedischer Steuerzahler - eine Rechnung an Israel eine Rechnung zu schicken - denn Israel müsse doch irgendwo Verantwortung für die Konsequenzen seiner Handlungen übernehmen...

  • BW
    berno wies

    Wer stoppt endlich den israelischen Staatsterrorismus? Es gibt zahllose militärische,

    politische und ökonomische Druckmittel(s.Apartheitsregime in Südafrika).

  • V
    vic

    Die Weltgemeinschaft sollte sich wenigstens für den mutigen Verweigerer einsetzen, wenn sie schon sonst nichts tut. Wenn es das noch gibt, dann ist dieser Mann ein Held.

  • RM
    Regine Metes

    Es ist schlichtweg nicht zu verstehen: vor aller Welt begeht Israel ein Kriegsverbrechen nach dem anderen: die Zerstörung einer Klinik ist sicherlich eins von vielen. Ist erstmal die Tollwut bzw. Kriegswut ausgebrochen, so ist sie offensichtlich nicht mehr zu stoppen. Anlaß dazu sind Raketen von palästinensischer Seite, von denen seit dem Jahr 2000 zweinundzwanzig Israelis getötet worden sind. War es nicht möglich, dieses palästinensische Raketenproblem durch Verhandlungen zu lösen? Es muß ja wohl einen tieferen Grund für diese Raketenbelästigung gegeben haben. Man hat leider den Verdacht, daß die armen Palästinenser in Gaza zum Opfer Holocaust-Geschädigter Juden geworden sind, die sich permanent auf Rachefeldzug befinden. Fällt denn keinem auf, daß man hier aus einer Mücke einen Elefanten macht? In voller Absicht. Allerdings sollte man der Hamas raten, kompromißbereiter zu sein, das sind sie ihrer Bevölkerung schuldig.

  • A
    AntonW

    Erinnern wir uns an das Geschrei und die Drohgebärden 'unserer' Politiker, als Rußland es wagte, sich den Angriff Georgiens nicht einfach gefallen zu lassen. Und jetzt in Nahost, bei diesem brutalen, menschenverachtenden Angriff Israels gegen die Palästinenser? Schweigen diese gleichen Leute. Oder sind 'uneingeschränkt' solidarisch. Mit dem Angreifer! Es gibt solche Menschen und solche und solche...und zu den solchen gehören die US-Amerikaner und die Israelis. Diese können Menschenrechte verletzen und Kriegsverbrechen begehen, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen werden.

  • F
    frank

    Israel missachtet das humanitäre Völkerrecht und es gibt Demonstrationen dagegen. Da darf der Reflex nicht fehlen, Israel-Kritik mit Antisemitismus gleich zu setzen. Wie Gutmair in der Rubrik LEBEN in der TAZ schreibt, wagen es (islamische) Demonstranten, Plakate zu zeigen, "die Israels Außenministerin Zipi Livni als "Killer" und "Babymörder" bezeichnen" und selbst das beliebte Bildmotiv des "Blutbads, das die Juden der Folklore nach gerne mal anrichten," auszumalen. Folgerichtig also der Eindruck des Autors: "Wer nun den Eindruck bekommen hat, es habe sich bei den Demos um Veranstaltungen gehandelt, bei denen antisemitische Parolen zumindest geduldet waren, der liegt richtig. Es ist auch gut so, dass die Antisemiten in Deutschland marschieren dürfen, dann weiß wenigstens jeder, woran er ist." Wer also gegen Israels Politik oder Gewalt protestiert muss zwangsläufig Antisemit sein. Danke dem Autor für die Belehrung. Werde natürlich nicht gegen exzessive israelische Gewalt demonstrieren, damit kein falscher Eindruck entsteht.

  • E
    emil

    Doppelt tragisch ist die Sache, weil viele der betroffenen Menschen sogar nachher nicht verstehen werden, wer ihnen die Sache eigentlich eingebrockt hat und dass dies die Antwort auf die ständigen aggressiven Provokationen aus bekannten Lagern (inkl. ihrer Zulieferer) ist, die ich hier sicher nicht zu nennen brauche.

     

    Dennoch halte ich es auch für richtig, dass nicht jedes Mittel dieser Antwort legitim ist und Kritik geübt werden muss - allerdings bitte nicht von scheinheiligen Leuten, die selber Verbrechen am Stecken haben (z.B. einige UNO Mitgliedsstaaten und viele private Bewunderer oder Verharmloser von Terrororganisationen u.s.w.).