: Israel greift gegen Palästinenser durch
Die israelische Regierung zieht Konsequenzen aus dem Attentat von Jaffa: Massenfestnahmen, Razzien, Ausweisungsbefehle und weitere Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten für Palästinenser ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Während die israelischen Behörden mit einer Verhaftungswelle in den besetzten Gebieten und mit ersten Ausweisungsbefehlen von Palästinensern auf den am Freitag in Jaffa verübten Mord an drei jüdischen Arbeitern reagierten, demonstrierten die Bewohner der arabischen Stadt Tirah in Zentralisrael am Samstag ihre Bereitschaft zum friedlichen Zusammenleben der beiden Völker. Es wird nichts an der Absicht der Regierung ändern, heute die Reduzierung der Zahl palästinensischer ArbeiterInnen in Israel zu beschließen. Außerdem sprachen sich mehrere Minister für die Wiedereinführung der Todesstrafe „bei besonders grausamen Morden“ aus. Auch Verteidigungsminister Arens schloß sich dem Ruf nach dem Galgen an; bisher wurden in Israel ausschließlich Massenmörder des Hitlerfaschismus zum Tode verurteilt.
Die Bevölkerung von Tirah, einer Stadt von fast 20.000 EinwohnerInnen, hatte beschlossen, jüdische MitbürgerInnen aus Tel Aviv und Umgebung zu bewirten und ihre Häuser für jedeN zu öffnen. Mehr als 2.000 Menschen waren der Einladung gefolgt — einige Bürgermeister, Knessetmitglieder linker und liberaler Oppositionsparteien, Schriftsteller, Lehrer und Journalisten. Aufmerksamkeit erregte besonders der dem regierenden Likud-Block angehörende Bürgermeister Tel Avivs, Shlomo Lahat, weil er — ganz im Gegensatz zum Standpunkt seiner Partei — offen erklärte, daß die Palästinenser in den jetzt von Israel besetzten Gebieten einen eigenen Staat erhalten müssen: „Nur so kann Frieden hergestellt werden.“
Zum gleichen Zeitpunkt war in Tel Aviv und Jaffa eine Razzia im Gange, bei der die Polizei versuchte, alle in der Stadt arbeitenden und übernachtenden Araber festzusetzen. Sie wurden ins Polizeigefängnis an der Stadtgrenze gebracht und von dort in einer Autobuskarawane in den Gaza-Streifen eskortiert. Nach Darstellung der Behörden wurden die etwa 1.000 Arbeiter „in ihrem eigenen Interesse und zu ihrem Schutz“ vor jüdischen Racheaktionen in die besetzten Gebiete verfrachtet. Am Wochenende wurden alle Zufahrten zum Gaza-Streifen abgeriegelt, über die BewohnerInnen wurde ein Ausgangsverbot verhängt. Mohammed Zeidan, Sprecher des gemeinsamen Rates der arabischen Bürgermeister in Israel, verurteilte „alles Blutvergießen und Gewalttätigkeit, die nichts lösen kann“.
Am Samstag abend hatte Verteidigungsminister Arens Anweisung zur Ausweisung von vier „Hamas“-Aktivisten in ein arabisches Nachbarland gegeben. Die vier Betroffenen sollten schon einmal vor zwei Jahren ausgewiesen werden; damals kam ihnen internationaler Druck auf die israelische Regierung zu Hilfe. Die US-Regierung hat die Anordnung, wie in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit, scharf verurteilt. Die Wiederaufnahme der laut Genfer Konvention illegalen Ausweisungen war bereits vor dem Schamir-Besuch in Washington beschlossene Sache, man hatte jedoch auf eine geeignete Rechtfertigung gewartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen